Mannheim. Giora Feidman ist als Musiker und als Mensch ein großer Versöhner, ein Vermittler, ein Brückenbauer. Einer, der sagt: „Musik ist eine Sprache, die der Menschheit Einigkeit bringt.“ 87 Jahre ist der als „King of Klezmer“ bekannte Klarinetten-Virtuose dieses Jahr geworden. Seit Januar 2022 ist er mit seinem „Friendship“-Konzertprogramm weltweit unterwegs, mit dem er zugleich sein 75. Bühnenjubiläum begeht. Anfang desselben Jahres erschien auch das Album „Friendship“, auf dem Giora Feidman & Friends Musik des Komponisten Majid Montazer vertont haben.
Freundschaft in die Welt tragen
Auf seiner „Friendship“-Tour treten der Instrumentalist und sein Ensemble Klezmer Virtuos am 14. September in der Mannheimer Christuskirche auf. Er habe das Bedürfnis gesehen, „Kunst zu nutzen, um Freundschaft in die Welt zu tragen“, erzählt Feidman im Gespräch mit dieser Redaktion. Die von Majid Montazer geschriebenen Kompositionen setzten den Albumtitel auf musikalischer Ebene fort: Freundschaft sei „Hapiness“, („Glück“), Freundschaft sei „Nostalgia“ („Nostalgie“), Freundschaft sei „Respect“ („Respekt“), zitiert der Klarinettist die Titel einiger Stücke des Werkes. „Sie erwecken das Bedürfnis, Freundschaft zu leben“, erläutert er und betont: „Wir sind eine Familie. Mein Name ist Mensch - und Ihrer auch.“
Als „Großer Botschafter der Versöhnung“ wurden seine Verdienste um die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen 2001 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz gewürdigt, 2005 erhielt er zudem den Internationalen Brückenpreis für Völkerverständigung. „Ich bin Jude. Ich fühle mich in diesem Land zuhause“, sagt Giora Feidman über die Bundesrepublik. „Ich fühle mich privilegiert, ein Mitglied dieser Familie zu sein. Warum? Weil die Freundschaft zwischen den Juden und den Deutschen der kraftvollste Ausdruck von Menschlichkeit auf diesem Planeten ist.“ Nach dem Krieg habe „ein Heilungsprozess“ begonnen. „Jetzt sind wir eine Familie.“
Es ist ein unerhört schöpferisches, bewegtes und andere bewegendes Leben, das der Blick in seine Biografie zeigt: Feidman wurde 1936 als Sohn jüdischer Einwanderer aus Bessarabien in Argentinien geboren und wuchs in Buenos Aires auf, wo er Musiker wurde - wie es sein Vater vor ihm war und davor sein Großvater. Schon mit 18 erhielt er eine Anstellung als Klarinettist am renommierten Opernhaus Teatro Colón. Bald darauf, 1956, zog er in den neugegründeten Staat Israel, wurde Orchestermitglied des Israel Philharmonic Orchestra und trat in aller Welt und unter vielen großen Dirigenten auf. Anfang der 70er, nachdem er das Orchester verlassen hatte, erspielte er sich mit seinen Klezmer-Konzerten international eine hervorragende Reputation. In Deutschland wurde er bekannt, als Theaterregisseur Peter Zadek ihn 1984 in einer Hauptrolle für seine Inszenierung von Joshua Sobols Stück „Ghetto“ engagierte. Er wirkte ebenso am Soundtrack zu Steven Spielbergs Oscar gekrönten Holocaust-Drama „Schindlers Liste“(1993) mit wie an Caroline Links Film „Jenseits der Stille“ und Joseph Vilsmaiers „Comedian Harmonists“.
Klarinettist Giora Feidman
- Der Klarinettist Giora Feidman wurde am 25. März 1936 in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires geboren. 1956 reiste er nach Israel, wo er heute noch lebt.
- 18 Jahre war Feidman Mitglied im Israel Philharmonic Orchestra, mit dem er in aller Welt und mit Dirigenten, wie Leonard Bernstein, Karl Münch, Rafael Kubelík, John Barbirolli, Eugene Ormandy oder Zubin Mehta musizierte.
- 1984 spielte er in Peter Zadeks Inszenierung des Theaterstücks „Ghetto“. Er wirkte an John Williams’ Oscar gekrönter Filmmusik zu Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ mit und lieferte musikalische Beiträge für die Filme „Jenseits der Stille“ von Caroline Link und „Comedian Harmonists“ von Joseph Vilsmaier.
- 2001 wurde er für seine Verdienste als „großer Botschafter der Versöhnung“ mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2005 erhielt er zudem den Internationalen Brückenpreis für Völkerverständigung.
- Am 14. September, 20 Uhr, tritt Feidman im Zuge seiner „Friendship“-Tour in der Mannheimer Christuskirche auf. Dabei wird er vom Ensemble Klezmer Virtuos begleitet, in dem er mit wechselnden Klezmermusikern spielt.
Der Begriff „Klezmer“ stehe seiner hebräischen Bedeutung nach für „Instrument des Liedes“, erklärt Feidman. Jeder Körper sei ein solches Instrument des Liedes und begabt, sich mit einer Stimme über die Sprache namens Musik auszudrücken. „Die Leute denken, dass Klezmer eine speziell jüdische Musik ist - nein“, führt der Künstler aus. „Ich habe Mozart aufgenommen, ich habe Piazzolla aufgenommen, ich habe jiddische Musik aufgenommen, ich habe Schubert aufgenommen“: Das „Instrument, das unser Körper ist“, unterscheide nicht zwischen Klassik oder Klezmer. „Der Körper muss singen, die Seele muss singen“, meint er. „Ein Weg dazu ist für mich die Klarinette.“
Die Leute wunderten sich, dass er so viel auftrete: „Du bis 87!“, sagten sie. „Ich fühle das nicht so, ich spiele jeden Abend“, berichtet Giora Feidman, und er freue sich dabei auf diese kraftvolle, einzigartige Verbindung zwischen den Seelen, die Freundschaft untereinander, welche die Musik schafft, auch wenn sich die Menschen vor einem Konzert noch nie begegnet sind.
Justizreform in Israel als Prozess
Wie sieht er, der der sich so sehr für Versöhnung und Frieden engagiert, die Proteste in Israel im Zuge der geplanten Justizreform: „Meiner Meinung nach ist das ein Prozess. Wir waren 2000 Jahre außerhalb des Landes“, erläutert Giora Feidman. 1948 seien die Menschen als Überlebende aus verschiedenen Nationen, aus verschiedenen Kulturen nach Israel gekommen. „Es ist unglaublich, was sie in 75 Jahren aufgebaut haben.“ Er sieht einen Konflikt zwischen religiöser und nichtreligiösen Seite. „Es wird etwas Zeit brauchen“, glaubt er, „aber das wird wieder zu einer Familie werden.“
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