„Well Done“. Der Titel des letzten Stückes bei der doppelten Tanz-Premiere des Mannheimer Nationaltheater-Ensembles entsprach dem gesamten Abend. Der neue Aufführungsort Altes Kino auf Franklin hat sich auch für den Tanz bewährt, und auch der aus zwei Uraufführungen und einer Wiederaufnahme bestehende Dreiteiler „Young Lovers“ stieß auf Begeisterung des Publikums. Spielarten der Liebe hatte Ballettintendant Stefan Thoss als Aufgabe gestellt, herausgekommen sind völlig unterschiedliche Ansätze, mit Gefühlen rund um die Liebe umzugehen.
Auf den ersten Blick scheint es wenig hoffnungsfroh, wenn Nadav Zelner als Thema von „Well Done“ die schmerzvolle Trennung beschreibt. Die permanente Auseinandersetzung zwischen Herz und Verstand. Entstanden ist ein überaus anregendes, ja in Teilen auch witziges Tanzstück, das den Menschen auf den Rängen und auf der Tanzfläche viel Spaß machte.
Blick in die Werkstatt beim Umbau
Auf der Bühne, deren Umbau einen interessanten Werkstatt-Blick eröffnet, steht im Hintergrund eine Art Glasvitrine oder Schutzraum. An den Seiten dienen metallene Versatzstücke als Bänke, Trommeln oder aber als Luftschächte, durch die Nebel quillt. In diesen Grenzen versucht eine Art Selbsthilfe- oder Therapiegruppe, das eigene Trauma zu überwinden.
Unter Beobachtung eines gelegentlich aus der Ferne mitagierenden Mannes im goldenen Anzug spielen sich kleine Minidramen ab, mal alleine mal zu zweit. Dann wieder greifen alle Beteiligten in militärisch anmutendem Drill ein. Doch der - neben dem exzellenten Ensemble - eigentliche Star ist die Flamenco-Musik, die der israelische Choreograf zu einem Blick aus ironischer Distanz nutzt. Zelner bildet das ganze Gefühlsspektrum ab, wenn er die dem Flamenco eigene Theatralik mit männlichem Macho-Gehabe und heftigen Frauengefühlen hervorhebt. Dafür genügen Zitate und kleine Übertreibungen.
Stephan Thoss statt Marco Goecke
Dem den Herzschmerz ausdrückenden leidvollen Flamencogesang stellt er ein Damentrio nach Art der Swingle Singers gegenüber. Die Vielfalt der Bewegungen ist überwältigend und wird vom euphorischen, dennoch disziplinierten Ensembleperfekt gemeistert. Das Ende nach 25 Minuten gestaltet der goldene Mann, einsam und mit ernstem Blick. Ist auch er einer, der eine Therapie braucht?
Dieselbe Energie wie in „Well Done“ bringen die Tänzerinnen und Tänzer von Stephan Thoss in „A Good Day“ auf die Tanzfläche. Er musste kurzfristig einspringen, weil dem eigentlich vorgesehenen Choreografen Marko Goecke wegen dessen Hundekot-Affäre in Hannover (wir berichteten mehrfach) abgesagt wurde. Das Thema von Thoss ist nicht die verflossene, sondern die suchende Liebe.
Ein verliebter junger Mann (Leonardo Cheng) sitzt mit einem Blumenstrauß in der Hand auf einer langen Bank und wartet. Seine Gefühle sind aber nicht hoffnungsfroh oder schwärmerisch, sondern eher schwermütig und ängstlich. Denn die Schmetterlinge in seinem Bauch sind nicht farbenfroh, sondern flattern schwarz, wild und erschreckend durcheinander. Die Liebe oder den ersten Kuss symbolisiert eine Frau in Rot (Silvia Cassata),die als Bindeglied auftritt und auch die erste Begegnung zwischen dem schüchternen Verliebten und dem Mann seiner Sehnsucht (Lorenzo Angelini) einleitet. Thoss’ Choreografie mit einem Hauptaugenmerk auf den Armbewegungen ist wie immer höchstmusikalisch. Die anfangs flirrenden, dann immer stärker rhythmisierenden und pulsierenden Töne (Kangding Ray, Fugu Vibes) wandeln sich am Ende zu einem sehrpassenden Violinkonzert von Bach.
Schöne Bilder dank Akrobatik
Schon vor einem Jahr wurde am Nationaltheater „The Little Man“ gezeigt, ein Trio der belgischen Geschwister Imre und Marne van Opstal. Von „Young Lovers“ kann hier aber keine Rede sein, eher von einer (un)freiwilligen, animalischen Partnerschaft in einem durch breite Sprossenwände begrenzten Raum. Ein Käfig ist er nicht, denn er schließt niemanden ein.
Doch er ermöglicht akrobatische Körperkunst und sogar Bewegungen in der Vertikalen. Paloma Galiana Moscardo, Leonardo Cheng und Albert Galindo kreieren so immer wieder schöne Bilder, wenn sie sich übereinandertürmen oder sich synchron im Zeitlupentempo an den Wänden entlang schieben.
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