In einem Altstadtfenster spiegelt sich die Stadtseite des Heidelberger Schlosses, daneben sind Teile einer politischen Sprühparole ("Volksentscheid") an der Wand zu erkennen. Die Radierung aus dem Jahr 1981 von Werner Schaub erinnert in ihrer Präzision an Alte Meister. Der lakonische Titel "Schloßblick" knüpft an vergangene Zeiten an, aber die Parole hält den Betrachter in seiner Gegenwart fest.
Die meisten der 70 Arbeiten im Kurpfälzischen Museum - aus den Jahren 1979 bis 2011 - tragen diese inhaltliche Spannung in sich. Gemälde, Fotoarbeiten, Zeichnungen und einige kleine plastische Werke sind in dieser Schau versammelt. Nicht immer bleibt die Spannung so pointiert und mit der politischen Gegenwart direkt verknüpft, aber das Zusammentreffen gegensätzlicher Elemente ist fast in jeder Arbeit enthalten. In die Gemälde sind meist Holzteile eingearbeitet, das können Leistenreste oder Fragmente von Zollstöcken sein. Oder eine fein nuancierte blaue Himmelsfläche ist von einem dicken Kratzer durchzogen, der unseren Wunsch nach harmonischer Idylle stört.
Verbindung zum Religiösen
Zeichnerische Wiedergaben von Bäumen auf Holzbrettern stellen uns die direkte Beziehung zwischen Material und Thema vor Augen, wobei der Humor nicht außen vor bleibt, wenn die Darstellung eines südlichen Nadelbaums auf Pinienholz den Titel "Pinie auf Pinie" trägt. Manche Arbeiten sind dreiteilig, greifen damit die Form des religiösen Triptychons auf. Auch in den kleinen figürlichen Werken werden oft Verbindungen zum Religiösen hergestellt. So steht der Figur eines Supermanns aus Kunststoff einer Jesusgestalt mit ebenso erhobenen Armen fast wie ein Spiegelbild gegenüber - Gottessohn trifft Comic-Held. Werner Schaub liefert damit einen fokussierten Ausschnitt aus unserer heutigen Welt, in der Vergangenheit und Gegenwart dialektisch verschränkt werden.
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