Heidelberg. Es gehört zum guten Ton eines jeden Festival-Auftaktes, dass zunächst den Sponsoren und maßgeblich Beteiligten für ihren Beitrag gedankt wird. Doch neben den Einführungen und Danksagungen legt der baden-württembergische Kulturstaatssekretär Arne Braun in seinem Grußwort Wert auf die vom Land gesponserte Nachhaltigkeit in Sachen Umwelt. Festivalleiter Rainer Kern fasst dieses Ziel etwas weiter und beleuchtet den sozialen Aspekt der Zukunftsfähigkeit. Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz plädiert hingegen besonders für Geschlechtergerechtigkeit und leitet thematisch über zum musikalischen Teil des Eröffnungsabends.
Tradition gegen Reform
Sona Jobarteh brach bereits im späten Teeniealter mit einer Jahrhunderte alten Tradition, nach der ausschließlich männliche Griots die Kora-Harfe spielen durften. Mit der Hilfe ihres Vaters, der selbst einer bekannten gambischen Sängerfamilie entstammt, begann Tochter Sona ihre Songs und Musik in Westafrika vorzutragen. Obwohl in London aufgewachsen und als Studentin des Royal College Of Music im Fach Cello, Klavier und Cembalo eher an klassischen Instrumenten ausgebildet, entscheidet sie sich für das westafrikanische Traditionsinstrument, die Kora.
Im Königssaal des Heidelberger Schlosses präsentiert Jobarteh vornehmlich Stücke ihrer Produktionen „Fasiya“ und Badinyaa Kumoo“, deren Songs sie überwiegend selbst geschrieben und komponiert hat. Sona singt nicht auf Englisch sondern in Mandinka, der Mehrheitssprache Gambias und bei dem 2015 aufgenommenem Song „Gambia“ hält es dann einige ihrer Landsleute auch nicht mehr auf den Stühlen. Dass sich dabei auch ihr deutsches Publikum bei den teils ungewohnten Mitsing-Passagen nicht scheut und recht gut mithält, überrascht selbst Jobarteh.
Afrikanische Musik ohne Perkussion ist kaum vorstellbar. Mit dem senegalesischen Mouhamadou (Mamadou) Sarr hat die Band einen Perkussionisten, der weit mehr als eine Nebenrolle spielt. Nicht nur dann, wenn Sona ihre Stegharfe auf neue Grundharmonien umstimmen muss, übernimmt Sarr die Bandleitung auf der Calabash, der Djembe oder den Congas. Beeindruckend sind auch seine Solo- und Duo-Passagen, in denen er ebenfalls die Initiative für die Band ergreift.
Unverzichtbar bei ihrer Musik ist auch Gitarrist Eric Appapoulay, der neben akustischem Begleitspiel auch oft den Backgrond-Gesang übernimmt. Musikalisch halten sich sowohl der Bass wie auch das Schlagzeug deutlich im Hintergrund. Lediglich als Tempogeber und Begleiter treten die Kollegen in Erscheinung.
Für jene, die der Manding-Sprachen nicht mächtig sind, erklärt Jobarteh, worum es thematisch bei den Songtexten jeweils geht. Dabei wird deutlich, dass sie nicht nur Emotionen anspricht. Furios im Prestissimo oder intensiv, ja intim als Ballade, Sona verbindet ihre Lieder oft mit sozialen Aspekten. Zwischen den Ansagen ihrer Songs fügt Jobarteh einen kleinen Exkurs über ihr Herzensprojekt der „Gambia Academy“ ein. Musik ist für die Kora-Meisterin nach eigenen Angaben das Mittel.
Für Bildung und Bücher
Der eigentliche Zweck all ihrer Arbeit ist die Förderung von Mädchen und Jungen in Sachen Bildung. Lehrpläne und Bücher, die oft noch aus kolonialer Zeit von den europäischen Kolonialstaaten stammen, zu reformieren, ist eines ihrer Ziele.
Gleichberechtigung und die damit einhergehende Aufweichung der Geschlechterbarriere in den traditionellen afrikanischen Gesellschaften ein weiteres.
„Jazz ist immer auch politisch“ und „zu Jazz kann man nicht marschieren“ - die beiden Statements von Mannheims Oberbürgermeister treffen ziemlich genau das Gefühl, das nicht nur das Eröffnungskonzert des 24. „Enjoy Jazz“ Festival mit Sona Jobarteh vermittelt.
In seiner Dankesrede an sein Team weist Rainer Kern neben der Nachhaltigkeit und den damit verbundenen sozialen Zielen mit einer fast persönlichen Mahnung auch noch auf einen anderen Punkt hin. Den „liebevollen Umgang“ der Menschen untereinander.
Und so begann der diesjährige Konzertreigen auch folgerichtig mit Jobartehs Paradesong „Jaraby“ (Liebe) aus ihrem aktuellen Album „Fasiya“. Dieses „Enjoy Jazz“- Festival setzt sich Ziele über das Musikalische hinaus.
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