Die Gesellschaft für Neue Musik Mannheim lädt zum Zweiten Jahreskonzert in den Florian-Waldeck-Saal ins Zeughaus. Der Freitagabend ist ganz der Komposition „Erinnerungsspuren“ des 1967 geborenen Alberto Posadas gewidmet. Der Interpret und Pianist Florian Hölscher spielt in Gegenwart des Komponisten und vor einem gut besuchten Saal.
Die „Erinnerungsspuren“ bestehen aus sechs Teilen, in denen sich Bezüge zu existierenden musikalischen Konzepten niederschlagen. Der Einsatz besonderer Spieltechniken in Bezug auf Pedaleinsatz, Präparationen und im inneren des Klaviers erweitert die klanglichen Möglichkeiten erheblich.
Obertonspiel im Inneren
Der erste Teil destilliert die Ornamentik des Klavierwerks François Couperins zu dichten Strukturen, festen Klangteppichen, aus denen sich verschränkte Intervalle wieder auffächern. Abrupte Lagenwechsel, Obertonspiel im Inneren des Instruments, Präparationen und mehr tragen zu einer flirrenden Lebendigkeit des Stücks bei.
Im zweiten und dritten Teil simuliert die Komposition zuerst ein Klavier, das sich unter Wasser befindet und arbeitet danach rhythmische Verschiebungen aus einem Sonatensatz Robert Schumanns heraus. Die höchst virtuosen Passagen liefern komplexe und dichte Verschränkungen, deren Auftrennung und Zitate von Harmoniebezügen.
Kaum abzubilden
Nach der Pause erläutert Posadas im Gespräch mit Sidney Corbett, Vorstand der Gesellschaft für Neue Musik, dass er die Komposition des aufgeführten Klavierwerks ohne das Insistieren Hölschers nicht in Angriff genommen hätte. Sein hauptsächliches kompositorisches Interesse für Mikrointervalle und Klangmodulationen sei auf dem Klavier kaum abzubilden.
Allerdings zeigt auch der zweite Teil des Abends, wie weit die Möglichkeiten der Klangschöpfung reichen. Zurück auf der Bühne steuert Hölscher den offenen Flügel von der Seite an. Die auf den italienischen Komponisten Giancinto Scelsi bezogene Erinnerungsspur lotet die Möglichkeiten der Klangerzeugung aus, während sich Hölscher zu den Tasten an der Stirnseite des Instruments vorarbeitet. Nach Anklängen an Stockhausen im fünften Teil weist der letzte Teil auf Alois Zimmermanns „Monologe“, ein Werk, das Mozart, Beethoven, Messiaen und Bach zitiert. Damit wird die Frage nach dem Erinnern und dem Gedächtnis auf einer höheren Ebene gestellt. Viel Applaus für die großartige Aufführung eines inspirierenden Werks.
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