Nachruf

Einflussreicher Theoretiker Hans Albert gestorben

Der Sozialwissenschaftler und Wissenschaftstheoretiker Hans Albert, der lange an der Mannheimer Universität lehrte, ist im gesegneten Alter von 102 Jahren gestorben. Mit seinem Namen verbindet sich ein Stück Wissenschaftsgeschichte

Von 
Thomas Groß
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Kein Dogmatiker: Hans Albert. © dpa

Mannheim. Sein 100. Geburtstag wurde vor zwei Jahren noch mit einem Festakt gefeiert. Nun ist der Sozialwissenschaftler und Wissenschaftsphilosoph Hans Albert, der lange an der Mannheimer Universität gelehrt hatte, im wahrhaft gesegneten Alter von 102 Jahren gestorben. Mit dem Namen des einflussreichen Gelehrten, der in der Nähe von Heidelberg lebte, verbindet sich ein wichtiges Kapitel der deutschen Wissenschaftsgeschichte aus den 1960er Jahren. Im Zentrum der unter dem Namen „Positivismusstreit“ bekannt gebliebenen Auseinandersetzung stand eine Grundsatzdiskussion darüber, ob eine „wertfreie“ Wissenschaft gegenüber einer kritischen Gesellschaftstheorie, die auch auf Veränderungen zielt, zu bevorzugen sei.

Für eine zurückhaltende Forschung plädiert

Gemeinsam mit dem Philosophen Karl Raimund Popper (1902-1994) plädierte Albert für eine zurückhaltende Forschung, die sich auf die Beschreibung von Tatsachen beschränkt. Die gesellschaftskritische Gegenseite vertraten Vertreter der sogenannten Frankfurter Schule, vor allem Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas. Albert meinte freilich nicht, dass sich Wissenschaftler jegliche Bewertung versagen sollten; sie müssten sich nur bewusst sein, dass solches nur hypothetischen Charakter haben könne. Ausgestrahlt hat die Auseinandersetzung auch auf andere Wissenschaften und hat auch interessierte Zeitgenossen darüber hinaus beschäftigt.

Mit Popper galt Albert als Hauptvertreter eines „Kritischen Rationalismus“ in der Wissenschaftstheorie. Verbunden ist damit die Forderung nach einer ständigen kritischen und empirischen Überprüfung wissenschaftlicher Theorien, um sich so der Wahrheit wenigstens anzunähern. Hans Albert entfaltete seine Auffassung in dem Buch „Traktat über kritische Vernunft“ (1968), das als moderner Klassiker der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie gilt.

Was bleibt von Hans Alberts Denken und Engagement? Seine Skepsis gegenüber jeglichem Dogmatismus überdauert. Letztbegründungen lehnte er ab, war deshalb ein Kritiker der Religion und besonders des Katholizismus. Nur eine Gewissheit war für ihn unumstößlich – dass die menschliche Vernunft fehlbar sei und ihre Schlüsse ständig neu zu überprüfen seien.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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