Das Interview - Glücksforscher Karlheinz Ruckriegel über subjektives Wohlbefinden und den ersehnten Lottogewinn

Eine Sache der Perspektive

Von 
Birgit Müller
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In Frankfurt als Messlatte für Wohlgefühl im Einsatz: Stefan Sagmeisters Kaugummi-Röhren im Museum Angewandte Kunst.

© MAK/Akaslan

Glück ist ein abstrakter Begriff, der die Menschheit seit Jahrtausenden beschäftigt. Wir sprachen mit Karlheinz Ruckriegel, Glücksforscher an der Technischen Hochschule Nürnberg, über den Weg zum Glücklich- sein.

Herr Ruckriegel, wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Karlheinz Ruckriegel: Gelingende soziale Beziehungen, also dass es in meiner Familie gut läuft - ich freue mich aber auch, wenn Menschen um mich herum glücklich sind, dann strahlt das auch auf mich zurück. Und dass ich Projekte, die ich noch vor mir habe, umsetzen kann.

Sind das besonders deutsche oder europäische Wünsche?

Ruckriegel: Nein. Man muss sich fragen, welche Wünsche geeignet sind, sich zufriedener und glücklicher zu fühlen. Da sind Wünsche nach Vorankommen, nach intakten Beziehungen zielführend für mehr subjektives Wohlbefinden. Was hingegen weniger zum Glück beiträgt, ist das Streben nach Einkommen, Schönheit und Popularität. Sich einen Sechser im Lotto zu wünschen, ist sinnlos, denn an den Gewinn gewöhnt man sich spätestens nach einem Jahr.

Also gibt es eine Definition von Glück, die für alle Menschen gilt?

Ruckriegel: Ja, es geht nämlich um das subjektive Wohlbefinden. Es geht darum, wie sich ein Mensch in sich selbst fühlt. Einerseits geht es um das emotionale Wohlbefinden, also das Verhältnis von positiven und negativen Gefühlen im Tagesdurchschnitt. Andererseits muss man sich die Frage stellen, wie zufrieden man insgesamt im Leben ist, auf einer Skala von null bis zehn. Und wir wissen: Subjektives Wohlbefinden wirkt sich auch positiv auf körperliche Gesundheit aus.

Das klingt, als ob es ganz einfach wäre, mit dem Glück. . .

Ruckriegel: Es ist auch einfach. Man muss halt schauen, dass man sich nicht jedes negative Gefühl zu Herzen nimmt. Sich im Stau aufzuregen, macht keinen Sinn. Und man muss die positiven Gefühle, die man hat, verstärken oder herbeiführen.

Wie das?

Ruckriegel: Indem man beispielsweise ein Dankbarkeitstagebuch führt und dort notiert, für was man dankbar ist, das sich in den vergangenen 24 Stunden ereignet hat. So nimmt man die positiven Dinge des Lebens - von denen es wirklich unzählige gibt - viel stärker wahr, einfach indem man eine andere Sichtweise drauf hat. Zum anderen muss man sich auch Ziele setzen, die werthaltig sind. Die dürfen hochgesteckt, müssen aber realistisch sein. Wollte ich jetzt im nächsten Jahr beim 1. FC Bayern München in der ersten Mannschaft spielen, wäre das von Haus aus eine Katastrophe.

Also ist Glück eine Sache der Perspektive.

Ruckriegel: Am Sprichwort "Jeder ist seines Glückes Schmied" ist einiges dran. Natürlich sind die Voraussetzungen mal besser und mal schlechter. Man kann aber jemanden nicht von außen glücklich machen, wenn er das nicht will.

Veränderte sich das Empfinden von Glück im Laufe der Zeit?

Ruckriegel: Früher ging es erst einmal nur darum, die materiellen Grundbedürfnisse zu befriedigen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden gesamtwirtschaftlich genügend Kalorien produziert, damit in unserer Gesellschaft keine Mangelerscheinungen auftreten. Ab dann fragt man sich, was sonst noch wichtig ist. Das Empfinden von Glück war aber immer schon existent. Der Philosoph Epikur etwa meinte, dass Freundschaften entscheidend für Glück sind. Man hat vor 200 Jahren in der Ökonomie schon versucht, sich mit Glück zu beschäftigen, herauszufinden, was Glück ausmacht. Man scheiterte aber daran, dass man keinen empirischen Ausgangspunkt hatte. Mit der Glücksforschung ist es nun möglich, dem subjektiven Wohlbefinden empirisch nachzugehen.

Karlheinz Ruckriegel und die Suche nach dem Glück

  • Karlheinz Ruckriegel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Nürnberg und Glücksforscher.
  • Die Glücksforschung beschäftigt sich mit den Bedingungen, unter denen sich Menschen als glücklich bezeichnen.
  • In Deutschland wurde sie erst in den 1980er Jahren durch den Soziologen Alfred Bellebaum maßgeblich geprägt.
  • Auch Stefan Sagmeisters Schau im Frankfurter Museum Angewandte Kunst ("The Happy Show"), die wir unten auf dieser Seite besprechen, widmet sich der menschlichen Glückssuche.
  • Weitere Infos: http://www.museumangewandtekunst.de. (bim/dpa/bild:giersch)

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