In der Mannheimer Musiklandschaft sind Proberäume so gesucht wie eine Wasserstelle in der Wüste. Die Szene dürstet geradezu danach. Die Kapazitäten reichen bei Weitem nicht aus, frei werdende Plätze werden unter Musikern meist weitergereicht und kommen gar nicht erst auf den Markt. „Wir benötigen weiterhin mehr günstige Proberäume“, sagt Udo Dahmen, künstlerischer Leiter der Popakademie.
Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man die Zahl der in Mannheim aktiven Pop- und Jazz-Bands auf mindestens 350 ansetzt. Die alteingesessenen Proberaumvermieter sind größtenteils seit Jahren ausgebucht. „Ich habe lange Wartelisten“, sagt Wolfgang Biersch dieser Redaktion. Der Musiker, ein Veteran der Szene, vermietet im Powertower auf der Friesenheimer Insel rund 50 Proberäume zu einer Durchschnittsmiete von 150 bis 180 Euro. „Schon lange suche ich nach Alternativen, um den Bedarf zu decken“, sagt er.
Beim größten Anbieter, Pro Music Proberaum Vermietung, sieht es zurzeit ähnlich aus. Mehr als 130 Räume bietet Wolfgang Schneider im Hafengebiet in der Industriestraße an. Die Mietpreise liegen zwischen 228 und 422 Euro. „Im Augenblick ist alles belegt“, teilt er mit. Aber immer mal wieder würden vier bis sechs Räume frei werden – vor allem im Sommer, wenn nach Semesterende die Studenten der Popakademie die Stadt verlassen.
Alles dicht ist momentan auch bei der Unit Gewerbepark GmbH in der Fruchtbahnhofstraße 3 im Handelshafen. Dort gibt es 40 Proberäume zwischen 20 und 40 Quadratmeter. Aktuell ist nach Auskunft des Unternehmens ein Raum (20 Quadratmeter) für 220 Euro frei. Im März würden aber weitere verfügbar werden.
Heiß begehrte Mangelware
Eine kleine Umfrage dieser Redaktion unter Musikern bestätigt, dass viele auf der Suche nach Räumlichkeiten sind. Es gibt aber klare Vorstellungen über die Miethöhe. Die Spanne reicht von: „Ich würde nicht mehr als 150 Euro zahlen“ bis zu: „Ein Betrag, mit dem aber die meisten gut zurechtkommen, sind bis 300 Euro im Monat.“
Das neue Start-up-Unternehmen mit Namen NOX – Euer Proberaum tritt nun an, um die Szene mit Proberäumen zu versorgen. Die beiden Betreiber Lilli Leirich und Carsten Huber verfolgen dabei ein neuartiges Konzept. Auf einem ehemaligen ABB-Areal bieten sie keine leeren Räume, sondern technisch hochwertig ausgestattete, klimatisierte Studios zur Vermietung an – und das stundenweise. Verstärker, Schlagzeug, Klaviere sind vorhanden; sonstige Instrumente und Mikrofone müssen die Musiker selbst mitbringen oder können sie dazubuchen.
Es gibt einen Raum speziell für akustische Musik (Klassik oder Jazz), ein komplett eingerichtetes Studio für Podcast-Produktionen und eines für Video- und Streaming-Produktionen. Ausgelegte Teppiche sind im Preis (16 bis 31 Euro pro Stunde, je nach Technik und Größe des Raumes) inbegriffen und sorgen für heimelige Atmosphäre. Bislang gibt es sechs Proberäume, außerdem ist ein 200 Quadratmeter großer Probesaal für Chöre gerade in Arbeit. „Wir haben bislang nur zehn Prozent des Areals genutzt“, berichtet Huber, der davon ausgeht, dass NOX in den nächsten Jahren expandieren wird.
Eine derartige stundenweise Vermietung gebe es nur noch zweimal in Deutschland. Einzigartig sei zudem das volldigitale Nutzungskonzept: Buchungen werden online vorgenommen, die Türen sind mit Touchscreens ausgestattet und können nur über einen Zugangscode geöffnet werden. „Das haben wir alles selbst programmiert.“ Der studierte Musikwissenschaftler und Betriebswirtschafter hat sich in seiner Masterarbeit mit dem Proberaummangel beschäftigt. Darin eingeflossen seien eigene Erfahrungen als Popmusiker und Musikmanager (bei den Mannheimer Philharmonikern). Um die Proberaum-Misere zu lindern, müsse man mehr Bands Zugang zu Proberäumen ermöglichen, erklärt er.
Neuer Konzertsaal Ende 2021
„Wir nennen das Open-Sharing-Konzept“, sagt Leirich. „Bei uns können durch die stundenweise Vermietung mehr Bands einen Raum nutzen, die Verfügbarkeit ist höher“, präzisiert die promovierte BWLerin. Das NOX-Angebot richte sich an alle, die sich keinen Übungsraum zulegen könnten oder wollten und sich nicht langfristig durch einen Mietvertrag binden möchten.
„Außerdem bieten wir ein niederschwelliges Angebot. Wenn jemand etwa erst mal testen will, ob er Schlagzeug spielen möchte, ohne sich gleich ein Instrument zu kaufen.“ Zudem hat das NOX-Team noch eine ganz andere Zukunftsmusik im Sinn: Ende des Jahres soll ein 1000 Quadratmeter großer Konzertsaal eröffnen und Mannheims Musikszene bereichern – als neuer Veranstaltungsort.
Proberäume in Mannheim
- Pro Music Proberaum Vermietung: über 130 Proberäume, Industriestraße 41. Vermieter: Wolfgang Schneider, Tel.: 0621/9 78 34 38, Mail: info@proberaum-mannheim.de, Infos: proberaum-mannheim.de
- Powertower: 50 Räume, Friesenheimer Insel, Vermieter: Wolfgang Biersch, Mail: wolfgang@biersch.com
- Unit Gewerbepark: 40 Räume, Fruchtbahnhofstraße 3-15, Tel.: 0621/159 33 11. Infos: unit-gewerbepark.de.
- NOX - Euer Proberaum: sechs Räume (eingerichtet), stundenweise mietbar, Boveristraße 42. Vermieter: Carsten Huber, Tel.: 0621/12 18 59 74, nox-proberaum.de.
- Kulturamt Mannheim: 8 Proberäume im Keller der Alten Feuerwache. Tel.: 0621 /293-3783, E-Mail an thilo.eichhorn@mannheim.de
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-ein-schmucker-platz-zum-ueben-_arid,1762939.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html