Mannheim. Nur an einer Stelle verwandelt sich die ausgelassene Stimmung im ausverkauften Mannheimer Capitol kurz in nachdenkliche Stille. Als Rainald Grebe erzählt, wie seine Freundin Henrike Grohs bei einem Anschlag auf ein Luxushotel an der Elfenbeinküste von islamistischen Terroristen „abgeschlachtet“ wurde. Die Leiterin des ivorischen Goethe-Instituts in Abidjan hatte den Kölner Kabarettisten 2016 nach Westafrika eingeladen, um dort gemeinsam mit ihren Schülern zu musizieren. Kurz danach war sie tot.
Tragische Vorgeschichte
Grebe wollte sein auf diesem Besuch basierendes, fast fertiges neues Programm „Das Elfenbeinkonzert“ nach diesem Schicksalsschlag schon absagen, entschied sich am Ende aber anders. Es ist der traurige Hintergrund, vor dem auch der schlicht großartige dreistündige Auftritt in Mannheim spielt. Sein neues Solo-Programm perfektioniert das bewährte Grebe-Prinzip, das die „Süddeutsche Zeitung“ passend als „Greberett“ bezeichnet hat, weil es sich gängigen Zuordnungen entzieht. Musikkabarett, Hochkultur-Performance, alberner Slapstick, Videokunst – der 46-Jährige kann das alles, er ist so etwas wie der Punk der Szene. Nie ist vorhersehbar, was als Nächstes passiert, nie ist klar, ob es Grebe ernst meint oder ironisch. In „Mittelaltermarkt“ spießt er so gut wie vielleicht noch keiner vor ihm die seltsame deutsche Sehnsucht nach dieser versunkenen Epoche auf („Mittelalter war eine Zeit, mit 80 Prozent Kindersterblichkeit“). Und bei seiner persönlichen Liste überflüssiger Orte der Republik mit pseudokreativen Stadtslogans bekommt auch das benachbarte Ludwigshafen sein Fett weg: „Man kann nicht jedes ästhetische Verbrechen auf den Zweiten Weltkrieg schieben.“
Derlei Frechheiten verzeihen die 800 Besucher ihrem immer so herrlich verstrahlt wirkenden Rainald, der den Hofnarr geben, aber auch intellektuell-launige Exkurse in die Geschichte des deutschen Volkslieds oder den Struwwelpeter einschieben kann. Seinen größten Hit „Brandenburg“ singen in einem Videoeinspieler die Schüler aus Abidjan, erst in der vierten und letzten Zugabe werden einige weitere Grebe-Klassiker wie der „Mittelmäßige Klaus“ oder „Dörte“ angespielt. „War ich früher besser?“, fragt Grebe ganz am Ende seinen als Sidekick fungierenden Techniker Franz. Die Antwort kann nur lauten: definitiv nein.
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