Pop - Die Söhne Mannheims begeistern im Ehrenhof des Schlosses zweimal rund 14 000 Fans - der Samstag wird für eine DVD-Produktion aufgezeichnet

Ein Band-Chamäleon feiert Jubiläum

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Eigentlich ist es nicht eine Band, die da am Wochenende ihr 20. Jubiläum mit zwei Konzerten im ausverkauften Ehrenhof des Mannheimer Schlosses begangen hat - die jeweils rund 14 000 Zuschauer (und bis zu 1000 Zaungäste) erleben an beiden Abenden über ein Dutzend teilweise rapide wechselnde Formationen. Bis zu acht Sänger und zwei Rapper tummeln sich - wie bei den ersten ernsthaften Konzerten 1999 - in unterschiedlichen Konstellationen auf der Bühne. Einmal hört man drei Schlagzeuger, mal nur einen, meistens zwei.

Die Bassisten Robbee Mariano und der neue Co-Bandleader Edward McLean geben sich das Rhythmusbrett in die Hand, bei der Pianoballade "Und wenn ein Lied" stehen dann ganz klassisch nur die altgedienten Duettpartner Xavier Naidoo und Claus Eisenmann mit dem frischgebackenen Popakademie-Professor Florian Sitzmann am Keyboard auf der Bühne. Ein Band-Chamäleon zeigt, was es kann . . .

Vor allem das von dem (wie Naidoo nach dreieinhalbjähriger Auszeit zurückgekehrten) Band-Chef Michael Herberger geschickt inszenierte Wechselspiel der Stimmen beeindruckt. So nachhaltig, dass die nachgelegte Kurz-Tournee, die am 9. November in der Kölnarena nach der ausverkauften Söhne/Naidoo-Benefizshow am 7. November in der SAP Arena startet, in genau dieser Mammutbesetzung absolviert wird, wie Herberger bestätigt. Wenn sich bewährte Sänger wie Naidoo, Eisenmann, Rolf Stahlhofen, Tino Oac, Henning Wehland, Michael Klimas oder Dominic Sanz plus die Rapper Marlon B oder Metaphysics derart virtuos in den Dienst der Bandmannschaft stellen, ist das ein Pfund, mit dem man einfach wuchern muss.

Geburtstagsständchen von Ceylan

Schon der erste Abend gerät atmosphärisch und musikalisch extrem eindrucksvoll - auch wenn nicht jeder Einsatz perfekt sitzt (u.a. weil Rolf Stahlhofens Mikrofon phasenweise aussetzt) und man Songs wie "Power Of The Sound" oder die Schlussnummer "Was wird mich erwarten" schon druckvoller gehört hat. Das spielt keine Rolle, vor allem nicht für die begeisterten Fans, weil andere Songs extrem abräumen oder wie "Meine Stadt" in der prachtvollen Barockkulisse für Gänsehaut sorgen.

Dass die Söhne am zweiten Abend noch einen draufsetzen, liegt auch am Wechselspiel mit dem Publikum: Der Samstag war als erstes terminiert, und bereits seit über einem halben Jahr ausverkauft; das heißt: Hier sind die noch eingefleischteren Fans und Wiederholungstäter am Start, so dass noch mehr Enthusiasmus 'rüberkam als beim Zusatzkonzert am Freitag. Auch hier wird "Meine Stadt" zum Glanzlicht, aber etwas "annerschder": Denn der eigentlich nur als Zuschauer gekommene Comedy-Star Bülent Ceylan wirft sich plötzlich die Trainingsjacke seiner Figur Harald über, stromert auf die Bühne und stimmt mit den Fans ein Geburtstagsständchen an - unbeschreiblicher Jubel. Gut, dass dieser Abend für eine Live-DVD aufgezeichnet wird, die "wohl noch in diesem Jahr erscheint", so Herberger.

Jubel erntet am Freitag auch der auf der Vogelstang Tür an Tür mit Claus Eisenmann aufgewachsene Schauspiel-Star Uwe Ochsenknecht bei seinem relativ spontanen Überraschungsauftritt ("Mer hawwe ned geprobt"). Nicht nur, weil er als Leadsänger des früheren Pausenfüllers für Technikpannen, "The Lion Sleeps Tonight", veritabel an seine Vergangenheit als Soulsänger erinnert, sondern weil er auch richtig "mitmonnemern" kann: Als Naidoo ihn fragt "Was wolle mer mache?" antwortet er trocken "Was Scheenes" - und wandelt stimmgewaltig den Refrain des ersten großen Söhne-Hits ab: "Aber ich ,geh davon aus', dass es geil wird!" Seine Spielzeit übernimmt am Samstag der südafrikanische Komiker Kurt Schoonraad, der die Eigenheiten der Deutschen unter die Satirelupe legt.

Frühe Erfolgsbesetzung mit dabei

Beide Abende lassen ohne zu viel nostalgischen Schmelz die Bandgeschichte komplett Revue passieren - nicht nur über die Songs, auch hier schlagen die wechselnden Formationen positiv zu Buche: Binnen einer Stunde sieht man die zu wilden Improvisationen neigende frühe Erfolgsbesetzung, die sich 1999 im Rosengarten gefunden hat. Dann die Hitballadenmaschine nach dem Ausstieg Stahlhofens 2003 - und auch die wohl als Interims-Band einzuschätzenden "Söhne 2012-14" kommen zu ihrem Recht und zeigen vor allem beim Live-Kracher "Wenn ich die Liebe nicht finde", dass sie auch ohne Naidoo, Herberger, Mariano und Drummer Ralf Gustke die große Bühne rocken können. Aber selbst im heimischen Rosengarten zogen sie zuletzt im März 2014 nur rund 2000 Zuschauer. Der Zugkraftunterschied mit oder ohne Star-Frontmann ist schon enorm.

Nicht zuletzt spiegelt dieser Jubiläums-Doppelpack die Eckpfeiler der rasanten musikalischen Entwicklung in Mannheim und Heidelberg seit Mitte der 90er: Mit den am Debütalbum "Zion" beteiligten Gästen "Butch" Williams und The-Wright-Thing-Frontmann Joe Whitney erweisen die Söhne der imposanten Session-Bandszene der Region ihre Reverenz, aus der die meisten von ihnen hervorgingen. Der fulminante Schlagzeuger Jonny König vertritt die Popakademie, der von Naidoo bei "The Voice Of Germany" entdeckte Sänger Dominic Sanz die Casting-Show-Ära. Das Band-Chamäleon schillert also auch in neuen Farben. Es fehlt eigentlich nur Soul-Pionier Edo Zanki, der ein wichtiger Wegbereiter war - aber hier scheint das Tischtuch nach dessen heftiger Kritik an Naidoos politischen Auftritten im Vorjahr zerschnitten.

Programm und Besetzung

Hauptteil: 1. Geh davon aus (2000), 2. Komm heim (2000), 3. Lieder drüber singen (2008), 4. Vielleicht (2004), 5. Zurück zu dir (2004), 6. Babylon System (2004), 7. Jah Is Changing All (2000), 8. Sofern du mir nah bist (2000), 9. Power Of The Sound (2000), 10. Das hat die Welt noch nicht gesehen (2008), 11. Keep Moving On (2014), 12. Deine Waffe ist die Liebe (2014), 13. Can You Feel It (2004), 14. Iz On (2009), 15. Wir wehr'n uns (2009), 16. Wenn ich die Liebe nicht finde (2011), 17. The Lion Sleeps Tonight (mit Uwe Ochsenknecht, am Samstag trat der südafrikanische Comedian Kurt Schoonraad auf), 18. Was ist geblieben (2015), 19. Hier kommen die Söhne (2011), 20. Meine Stadt (2000, am zweiten Abend mit Bülent Ceylan als Gast), 21. Dein Leben (2004).

Erste Zugabe: 22. Und wenn ein Lied (2004), 23. Rosenblätter (2015), 24. Wenn Du schläfst (2004).

Zweite Zugabe: 25. Volle Kraft voraus (2000), 26. Was wird mich erwarten (2005).

Sänger beim Jubiläumskonzert: Xavier Naidoo (ab 1995), Tino Oac (1999), Henning Wehland (2003), Michael Klimas (2004), Dominic Sanz (2012), Claus Eisenmann (1995-2005), Rolf Stahlhofen (1996), "Butch" Williams, Joe Whitney (beide 2000).

Rapper: Marlon B, Metaphysics (1999).

Instrumentalisten: Michael Herberger (1995), Florian Sitzmann (1999, Keyboards), Billy Davis (1995, DJ), Michael "Kosho" Koschorreck, Andreas Bayless (1999, Gitarren), Robbee Mariano (1999), Edward McLean (2012, Bass), Ralf Gustke, Bernd Herrmann (1999) und Jonny König (2012, Schlagzeug).

Weitere Ex-Söhne: Ingo Landeck, Tobias Fouquet, Uli Wittemann (alle 1995), Edo Zanki, Julian "J-Luv" Williams, Jah MC, Jah Meek, Uwe Banton-Schäfer, Patrick "PBC" Caputula (alle 1995, Gesang und/oder Rap). jpk

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