Konzert

„Die Toten Hosen“ in Stuttgart: Und immer wieder, ist es das alte Fieber

Open Air: Die Opelgang begeistert am Samstag 50 000 Fans auf dem Cannstatter Wasen mit einem über zweieinhalbstündigen Best-of-Programm. Campino und Co. liefern wie immer ab und schicken am Ende ein überaus zufriedenes Publikum in die Sommernacht.

Von 
Harald Fingerhut
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Hatte die Menge wieder im Griff: Campino, Frontmann der „Toten Hosen“, begeistert mit seiner Opelgang rund 50 000 Fans auf dem Cannstatter Wasen. © Denise Fingerhut

Normalerweise geben in der Landeshauptstadt die Edelkarossen von Mercedes Benz und Porsche den Ton an. Nicht so am Samstag. Da steht eine Automarke im Mittelpunkt, die eher einen verbeulten, aber zuverlässigen Ruf genießt und fernab jeglicher Schnöseligkeit liegt. Die Düsseldorfer Opelgang macht einen zweieinhalbstündigen Boxenstopp auf dem Cannstatter Wasen, und 50 000 Fans sind bei herrlichem Sommerwetter am Ende komplett aus dem Häuschen. Die Chemie zwischen Band und Publikum hat wieder einmal gestimmt. Stuttgart und die Düsseldorfer Combo verbindet sowieso eine innige Liebe. Um es mit den „Toten Hosen“ zu sagen „Und immer wieder, ist es das alte Fieber.“

Natürlich ist es klar, dass die Band auch in Stuttgart mit dem Vorwurf, „Die Hosen spielen keinen Punkrock mehr“ kokettiert. Campino wäre nicht Campino, würde er diesen Spielball nicht aufnehmen. Schon auf ihrer Geburtstags-Best-Of-CD „Alles aus Liebe“ haben sie das mit „Alle sagen das“ getan. Und eben mit diesem Song starten sie auch auf dem Cannstatter Wasen. Und natürlich braust die Opelgang nicht mehr mit dem unbekümmerten Dilettantismus der Anfangstage und der Wurstigkeit halbstarker Twens durch die Songs.

Keine Frage, die Jungs aus Düsseldorf sind in den letzten 40 Jahren erwachsen geworden. So wie viele Fans auch. So ist das nun mal, Und ihre Songs jüngeren Datums sind radiotauglicher und poppiger, und damit auch massentauglicher. Sonst würden auch keine 50 000 Leute auf den Cannstatter Wasen strömen. Und in der Tat: „Tage wie diese“ ist ein Ohrwurm, der mit Punk nichts mehr zu tun hat. Aber es ist auch ein Klassiker, der – wenn die Opelgang ihre Blechkisten schon längst auf dem Schrottplatz geparkt hat – immer noch gespielt und gesungen wird.

Eins muss man den „Toten Hosen“ lassen: Im Grunde ist es immer noch Punkrock, sind es immer noch drei Akkorde, rausgeblasen mit einer gewissen Rotzigkeit und mit viel Lust am Spiel. Das wird auch an diesem Samstagabend in Stuttgart wieder deutlich. Da wird mit Herzblut und Leidenschaft drauf losgespielt, auch wenn die Opelgang mal aus der Kurve fliegt. Schwamm drüber, dass Campino, nicht jeden Ton trifft, die Herren Musiker sicher nicht die Virtuosen vor dem Herrn auf ihren Instrumenten sind. Aber die Mannschaftsleistung ist topp, wenn sie auch nicht ganz an die Sternstunde an selber Stelle im Jahr 2018 heranreicht. Am Ende stehen ein triumphaler Auswärtssieg und ein Zeitsprung in die Anfangsjahre. Im dritten Zugabenblock fällt Campino bei „Keine Ahnung“ und „Streichholzmann“ der Text nicht mehr ein und die Band prescht irgendwie auch nicht in die gleiche Richtung. Erst beim finalen „Eisgekühlter Bommerlunder“ findet das Quintett wieder in die Spur. Und gerade das macht die Truppe aus und sympathisch, dass doch nicht alles wie vom Reißbrett geplant wirkt und abgespult wird.

Eckpfeiler und Aufbau der Show sind keine großen Überraschungen. Die Fans warten natürlich auf ihre Favoriten. Im Laufe der 40-jährigen Bandgeschichte gibt es viele. Deshalb spielen die Düsseldorfer auch unterschiedliche Setlists, wobei die ganz großen Hits gesetzt sind. „Bonnie & Clyde“ tauchen schon früh am Abend auf und werden frenetisch mitgesungen. „Steh auf, wenn du am Boden bist“, „Alles aus Liebe“, „Wünsch Dir was“ und „Hier kommt Alex“ beschließen das reguläre Set fulminant und selbst auf den Sitzplätzen stehen alle – vom zehnjährigen Kind bis zum 70-jährigen Senior. Tja, Hosen-Konzerte verbinden Generationen, sind Familienfeste.

Im ersten Zugabenblock schauen nicht nur die zehn kleinen Jägermeister vorbei, sondern gibt es auch noch eine Coverversion der einstigen „Erzfeinde“ aus Berlin. „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten wird aus allen Kehlen lauthals mitgesungen.

Im zweiten Zugabenblock wird „Tage wie diese“ zwischen „Bayern“, „Freunde“ und „You’ll never walk alone“ eingebettet, aber nicht ausufernd zelebriert. Aber das passt. Kurz und knackig.

Der erste Radiohit, den „Die Toten Hosen“ im damaligen „wilden Süden“ hatten, „Eisgekühlter Bommerlunder“ ist der würdige Schlusspunkt. Wie Campino mit einem schelmischen Lächeln erzählt, hat damals eine Handvoll Hosen-Fans immer wieder beim SDR gevotet und so die Punkband mit dem Song in die Hitparade gehievt. Heute haben sie das nicht mehr nötig, da sind sie Dauergast in den Charts.

Klare Sache: Die Opelgang ist immer noch auf der Überholspur, auch wenn das Tempo ein wenig gedrosselt wird. Campino hat ja in einigen Interviews angedeutet, dass die Rallye der Düsseldorfer nicht ewig gehen wird, die Zielgerade nicht mehr in weiter Ferne ist. Sicherlich nicht die schlechteste Idee, zu gehen, solange die Leute noch „schade“ sagen. Und das würden sie derzeit sicher tun, denn solche Shows, wie am Samstag in Stuttgart, würden fehlen. Deshalb sagen wir: „Schönen Gruß. Auf Wiederseh’n, die Zeit mit Euch war wunderschön.“

Daran, dass es ein rundum gelungenes Open-Air ist, haben auch die Vorbands einen entscheidenden Anteil. Zunächst sorgt Thees Uhlmann mit seinem entspannten Rock für eine groovige halbe Stunde. Songs wie „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ sind eingängiger, als es der Titel erwarten lässt.

Richtig Betrieb machen dann die „Donots“, die eine lange Freundschaft mit den „Toten Hosen“ verbindet und die immer wieder als Anheizer bei Festivals auftauchen. Und sie machen ihre Sache mehr als gut. Mit ihrem Punkrock begeistern sie nicht nur die Fans, die direkt vor der Bühne stehen, sondern können sogar die hinteren Reihen zum Mitmachen animieren. Das schafft nicht jede Vorband. Und man fragt sich, warum die „Donots“ nicht mehr Erfolg haben und normalerweise eher in kleinen Hallen spielen.

Punkrock, Rock oder doch auch ein bisschen Pop – wen schert’s? Am Ende ist es mitreißende Musik, für alle, die miteinander Spaß haben wollen.

Setlist in Stuttgart

Regular: Alle sagen das, Auswärtsspiel, Altes Fieber, Helden und Diebe, Bonnie & Clyde, Liebeslied, 112, Laune der Natur, Niemals einer Meinung, Kamikaze, Du lebst nur einmal (vorher), Halbstark, Helden und Diebe, Das ist der Moment, Wannsee, Unter den Wolken, Draußen vor der Tür, Pushed Again, Steh auf, wenn du am Boden bist, Alles aus Liebe, Wünsch Dir was, Hier kommt Alex.

Zugaben 1: Alles wird vorübergehen, Schrei nach Liebe, Zehn kleine Jägermeister, Schönen Gruß, auf Wiederseh’n.

Zugaben 2: Bayern, Tage wie diese, Freunde, You’ll Never Walk Alone.

Zugaben 3: Keine Ahnung, Streichholzmann, Eisgekühlter Bommerlunder.

Redaktion Stellvertretender Deskchef

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