Mannheim. Früher war mehr Lametta? Pustekuchen! Der Vorhang fällt und mit großem Theaterdonner, Licht- und Klangzauber fahren die Rock-Götter zur Erde nieder. Jedenfalls die Gitarristen Paul Stanley und Tommy Thayer nebst Bassist Gene Simmons, die auf achteckigen Plattformen (es sind zugleich Videoschirme) vom Bühnenhimmel herabgleiten, während sie „Detroit Rock City“ durch die Lautsprecher peitschen. Das vierte Mitglied, Eric Singer, ist schon unten und chaussiert die Landebahn mit Schlagzeugschlägen: Kiss sind eingetroffen, die Spiele können beginnen.
Ihre andauernde „End Of The Road“-Welttour hat die US-amerikanischen Hard- und Glamrock-Legende in die ausverkaufte SAP Arena geführt. 2019 hatte diese Konzertreise – die ihre letzte sein soll – begonnen, im Dezember wird sie in New York enden, just dort, wo die Band vor genau 50 Jahren gegründet wurde. Ein halbes Jahrhundert ist seitdem vergangen, aber die Vier wirken reichlich frisch und spielhungrig.
Science Fiction trifft auf Strass
Ikonisch geschminkt und mit den charakteristischen schwarz-silbernen Kostümen ihrer Bühnen-Personen angetan, liefern die beiden Kiss-Gründer und -Sänger Paul Stanley und Gene Simons (alias „Starchild“ und „Demon“) sowie Leadgitarrist Tommy Thayer („Spaceman“) und Eric Singer („Catman“) einen souverän gesungenen und gespielten, bild- und soundgewaltigen Mix aus Fantasy, Science-Fiction und Rock ‘n’ Roll, der von einer strass-glitzernden Glamour-Klammer zusammengehalten wird. Man kann sich diese Kiss-Show (die von der US-Metal-Band Skid Row gekonnt eröffnet wird) vielleicht am besten wie eine Mischung aus Hardrock-Hochamt, Geburtstagsparty und offiziellem Staatsbesuch durch eine außerirdische Zivilisation vorstellen: Als prall gefüllte Wundertüte voller Überraschungen, die – im Schatten der zyklopischen, auf den Oberrängen positionierten Statuen der Kiss-Mitglieder– praktisch im Minutentakt ausgeschüttet werden. Entlang von Songs wie „Shout It Out Loud“, „Deuce“, „I Love It Loud“ oder „Psycho Circus“ erleben wir ein Funkenregen, Flammenstöße und vieles mehr, was das Herz des Pyrotechnik-Aficionados erfreuen kann.
Zudem wird das wahrscheinlich größte Konfettikanonen-Aufgebot in der Geschichte der SAP Arena aufgefahren. Während eines Drum-Solos steigt Singers Schlagzeugpodest rauchend in die Lüfte, Thayer schießt in Videospiel-Manier UFOs mit Gitarren-Raketen ab, Simmons lässt seine Zunge dämonisch züngeln und spuckt Feuer und Theaterblut. Und Stanley schwebt gegen Ende des regulären Konzertteils per Seilrutsche zu einem Bühnenpodest am gegenüberliegenden Hallenende, wo er „Love Gun“ anstimmt. In der Zugabe steigt Singer, nun am Flügel sitzend, aus der Unterbühne auf und singt die Ballade „Beth“.
Dann gibt’s den ultimativen Kiss-Klassiker „I Was Made For Lovin’ You“ und schließlich „Rock And Roll All Nite“, an dessen Ende Stanley in klassischer Rock-Star-Traditon seine Gitarre zerschlägt. Einige der Besucherinnen und Besucher haben noch Luftschlangen auf den Schultern, als sie die Arena verlassen. Sie sehen ziemlich glücklich aus.
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