Jazz

Deutsch-indische Band Neckarganga setzt auf künstliche Intelligenz

Von 
Georg Spindler
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Mannheim trifft Indien: die Band Neckarganga. © Christian Kleiner

Dieses Projekt ist spektakulär! Und das ist keine Übertreibung. Die deutsch-indische Gruppe Neckarganga aus Mannheim präsentiert ihr neues Album „Reloaded“ interaktiv. Das Publikum entscheidet beim Besuch der Webseite der Band, welchen Kurs die Musik einschlägt. Es wird vom passiven Zuhörer zum aktiven Dirigenten.

Hoher Spaßfaktor beim Zuhören

Möglich macht dies künstliche Intelligenz: ein spezielles Computerprogramm, ein Online-Player, den die Band und ihr Team mit dem italienischen Entwickler Nicola Pisanti entwickelt haben. Die Musiker von Neckarganga haben, jeder für sich, den Player mit Musikschnipseln, Motivwiederholungen (Loops) und Tonfolgen „gefüttert“. Mit dabei waren Shyam Rastogi (Sitar), Sandip Rao Kewele und Keshava Rao Nayak (Tabla) sowie Peter Hinz (Konzeption, Percussion, Stimme), Steffen Dix (Saxofon, Klarinette, Elektronik) und Jonathan Sell (E-Bass), als Gäste wirkten mit: MD Pallavi Arun (Gesang), Güldeste Mamac (Violine) und Ephraim Gipen (Gitarre).

Dem Computerprogramm machten sie Vorgaben im Hinblick auf Tempo, Atmosphäre, Ereignisdichte. Nach einem Zufallssystem komponiert der Player nun im wahrsten Sinn des Wortes die Musik, er setzt die einzelnen Ideen in immer neuen Kombinationen zusammen. Um eine gewisse musikalische Ordnung herzustellen, „haben wir bestimmte Regeln für jeden Teilnehmer an unserem Projekt erstellt“, schreiben Neckarganga auf ihrer Homepage.

Screenshot des Players © Julia Wadle

So gibt es zwei indische Ragas (Tonskalen): Kirwani (dunkel) und Hansdhwani (fröhlich). Drei Arten von Tempi wurden nach den Prinzipien indischer Musik gleichfalls vorgegeben: 41, 82 und 164 Beats pro Minute. Aus all diesen Elementen entwickelt der Computer die Musik. „Es ist wie eine digitale Jam Session“, findet die Band.Genau das ist der Eindruck, wenn man als Hörer den Online Player bedient. Drei Stimmungen stehen zur Auswahl: dunkel, hell und wechselhaft – für jede Atmosphäre steht ein Symbol zum Anklicken zur Verfügung. Zusätzlich kann man per Klick entscheiden, ob die Musik mit oder ohne Rhythmus erklingen soll.

Das Ergebnis ist verblüffend – und macht unglaublich Spaß. Entscheidet man sich für „wechselhaft mit Rhythmus“ entfaltet sich ein quirliges Klang-Szenarium mit trippelndem Tabla-Getrommel, munteren Saxofon-Einsprengseln und quenglender Geige – ehe ein idyllischer Folksong unbekannter Herkunft ertönt, mit zarter Akustikgitarre und sanfter Frauenstimme. Bei „wechselhaft mit Rhythmus“ entführen Neckarganga in sphärische Gefilde.

Melismatischer Frauen-Gesang und verhangene Saxofon-Seufzer scheinen zeitlose Ewigkeit zu beschwören, bis dann perlende Gitarren-Töne und eine meditativ zirpende Sitar dem Ganzen feine Konturen verleihen. Ungeahnt spannungsvoll wird’s bei „Dunkel ohne Rhythmus“, wo sich ein Dialog zwischen melancholisch schluchzender Geige und forsch aufwallenden Tenorsaxofon-Linien entspinnt.

Klang-Kombinationen per Klick

Kaum zu glauben, dass dies alles nur virtuell stattfindet. Nicht minder fantastisch, dass jeder Klick eine neue, andere Klang-Kombination in Gang setzt. Auch der Faktor Zeit spielt eine Rolle: „Je mehr Zeit man dem Player gibt, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich“, schreiben Neckarganga. Langweile ist bei diesem Musikprojekt ein Fremdwort. Es ist wirklich spektakulär.

Redaktion

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