Heppenheimer Festspiele

„Der zerbrochne Krug" feiert Premiere bei Heppenheimer Festspielen

Heinrich von Kleists berühmtes Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ sorgt bei den Heppenheimer Festspielen für Stimmung. Das gelingt, weil die Regie keinen Klamauk aus der Komik des Stückes macht  

Von 
Martin Vögele
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Dorfrichter Adam (Uli Pleßmann, l.) hat viel zu erklären, ist aber zum Leidwesen von Gerichtsrat Walter (Robert Menke, r.) um keine Ausrede verlegen. © Thomas Zelinger

Heppenheim. „Ein Krug. Ein bloßer Krug“, sei Gegenstand der Klage, verlautet der Dorfrichter. Vorgebracht wird diese Klage im vollen Brustton aufrechter Empörung von Witwe Marthe Rull, die Ruprecht, den Verlobten ihrer Tochter Eve, bezichtigt, bei einem nächtlichen Hausbesuch jenen Krug zerstört zu haben. Ruprecht aber beharrt darauf, einen Fremden bei Eve erwischt und diesen bei seiner überstürzten Flucht noch beherzt mit einer Türklinke verdroschen zu haben.

Dorfrichter Adam, übel zugerichtet, mit tiefen Wunden auf dem kahlen Kopfe – seiner Perücke sei er unvermittelt verlustig gegangen – hat bei Beginn dieser Verhandlung zu allem Verdruss noch Gerichtsrat Walter zu Gast, der sich der ordnungsgemäßen Arbeit des Gerichts versichern will. Dabei ist das titelgebende Corpus Delicti in Heinrich von Kleists Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ eben kein bloßes irdenes Gefäß, sondern wird bei der Premiere von Iris Strombergers Inszenierung bei den Heppenheimer Festspielen gleichsam zum Bembel des Schicksals, dessen Scherben die Zukunft der Protagonisten weisen. Wie geschaffen scheint das Freiluft-Ambiente im Kurmainzer Amtshof der hessischen Stadt, um Ingo Schöpps Bühnenbild mit seinen rußgeschwärzten Fachwerkwänden und der rustikalen, detailfreudig ausgestatteten Amtsstube stimmig einzurahmen.

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Eine Lüge nach der anderen

Dorfrichter Adam, gespielt vom Uli Pleßmann, ist ein eloquenter Zeitgenosse, keine Frage, und mit der notwendigen Stegreif-Fantasie ausgestattet, um eine Lüge nach der anderen, eine ungeheuerliche Ausflucht auf die nächste zu ersinnen, die von der eigenen Täterschaft ablenken sollen. Und wenn sich die Hinweise auf sein Schuld zusehends zu seinen Füßen türmen, dann klettert er eben noch ein Stück höher auf den Flunkerberg. Pleßmann ist ein Glücksgriff für diese Rolle, verleiht er Adam doch einerseits das biegsame Charisma eines Trickbetrügers und Schelms. Andererseits lässt er den Dorfjuristen in grober Manier mit seiner Magd (herrlich rumpelig: Saskia Huppert) umspringen, lässt die dunklen Seiten unter der glänzenden Glatze der Kleistschen Figur aufscheinen, die sich nicht scheut zu drohen, zu erpressen, einzuschüchtern.

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Von
red
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Regie macht keinen Klamauk aus der Komik des Stückes

Und diese Untertöne mitklingen zu lassen, ist bedeutsam für die inhaltliche Tragweite des Stücks, denn Adams Tat ist eben keine Petitesse, kein Kavaliersdelikt, sondern eine sexuelle Nötigung, ein Übergriff. Zudem geht es hier um einen Fall veritablen Macht- und Amtsmissbrauchs, um einen Richter, der Recht nicht sprechen, sondern es zu seinen Gunsten beugen will.

Gleichermaßen bedeutend für das Gelingen dieser Inszenierung ist mithin, dass Eve nicht als beistehendes, beleumdetes Opfer, sondern von Schauspielerin Elinor Stromberger mit sensibler Kraft und klarem Willen zur Wahrheit verkörpert wird.

Kurzum: Die Regie macht keinen Klamauk aus der Komik, die dem Lustspiel zuhauf innewohnt. Mit Tempo und Verve werden da Kleists wortmächtige Dialoge von einem überzeugenden Ensemble ausgetauscht – Regisseurin und Festival-Leiterin Iris Stromberger mimt die Witwe, Robert Menke den Walter, Sebastian Muskalla den Gerichtsschreiber Licht, Fabian Stromberger den Ruprecht und Margit Schulte-Tigges – wunderbar spitzbübisch – die Nachbarin Brigitte.

Freier Autor

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