Carstival - Straßenrap und Hupkonzerte bei Rapper Haftbefehl

Der Baba rollt mit seinen Besten

Von 
Anna Suckow
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Ganz lässig und abgeklärt gab sich der Rapper auf der Bühne des Autokinos auf dem Maimarkt. Dem Publikum gefiel’s. © Manfred Rinderspacher

Der Lockdown scheint ihm gutgetan zu haben – Haftbefehl ist jetzt „Baba Haft“, mehr zweifacher Familienvater als Drogenbaron, gemütliche Figur statt drahtiger Körper, der Ehering blitzt noch vor der dicken Uhr. Der Rapper ist bei seinem Auftritt auf dem Mannheimer Carstival tiefenentspannt. Warum auch nicht? Gerade erschien „Das weiße Album“, schon der Titel ein Statement, der Feuilleton-Liebling mit Vorstrafenregister bleibt unnachahmlich.

Und jetzt steht er da, blickt auf Reihen aus Autos, die ihn, der sich im Maybach durch seine Heimat Offenbach fahren lässt, nicht wirklich interessieren. Nicht vom Wert, nicht an der Zahl. 250 Wagen stehen auf dem Parkplatz des Mannheimer Maimarktgeländes, dafür reißt sich der Babo kein Bein aus. Also tänzelt er über die Bühne, verdeckt sein Gesicht mit einer Balenciaga-Brille und schüttelt nebenbei eben ein Best-of-Baba aus dem Trainingsanzug.

Eine Art neue Sprachkultur

Das mag man arrogant nennen, es ist in seiner Ganzheit aber konsequent. Denn Aykut Anhan, so sein bürgerlicher Name, interessiert sich nicht für seine Kritiker. Für seine Fans hingegen hat er viel getan. Er hat einer ganzen Jugend ihre Sprache verliehen, bevor sie ihnen wieder gestohlen und „Babo“ (also in etwa „Boss“) zum Jugendwort des Jahres wurde. Eine Identifikationsfigur für Migranten-Kinder, die deutsch sind, aber sich nicht so fühlen können.

Mit seinem nasalen Genuschel, der Reißnagelstimme, die Wörter dehnt und betont, wie es ihr gerade ins Reimschema passt, hat er eine Art neue Sprachkultur entwickelt, in der Bosnisch und Romani, Italienisch und Türkisch ineinanderfließen. Das klingt nicht nach deutschem Sprechgesang, auch nicht nach US-Hip-Hop. Das erinnert an harten, französischen Straßenrap.

Zwischen all dieser Rohheit ist aber Platz für feine Zwischentöne. Etwa in dem seinem Sohn gewidmeten Titel „Papa war ein Rolling Stone“. Und dann dröhnen wieder Klassiker wie „Chabos wissen wer der Babo ist“ und „Ich rolle mit meim Besten“ aus den Boxen, während es sich junge Männer auf den Ladeflächen ihres Pick-ups mit Wasserpfeifen gemütlich gemacht haben. „Azzlack“-T-Shirts wehen im lauen Sommerwind, Rapchöre schallen über den Parkplatz.

Über dem Standard

Nach einem kurzen Intermezzo seines Kumpanen Du Maroc kommt Hafti mit „Saudi Arabi Money Rich“ in eine etwas energischere zweite Hälfte. Glück für ihn, dass 70 Prozent seines Talents immer noch über dem Standard vieler Vertreter seines Genres liegen. Und während er bei „CopKKKilla“ über Polizeigewalt sinniert, blitzt unter seiner Trainingsjacke der Slogan „Ne tirez pas“ – nicht schießen – auf. Das Statement kommt in Zeiten einer missverstandenen „taz“-Kolumne und einem kaum misszuverstehenden Innenminister nicht zufällig. Und kostet 390 Euro im Shop der Modemarke Vetements – so geht Straßenkultur im Jahr 2020.

Bei der Hymne „069“ – der Vorwahl seiner Heimatstadt und Frankfurts – gibt es kein Halten mehr. Die Chabos und Chayas – also Jungs und Mädchen – stürmen nach vorne. Eine Stunde Haftbefehl reicht dem Publikum hier aus für ein langandauerndes Hupkonzert.

Mannheim

Der Babo auf dem Maimarktgelände: Haftbefehl begeistert Carstival

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