Manchmal hat man den Eindruck, als spiele sich alles vor den Fenstern eines Unterseebootes ab, durch die die Zuschauer als Passagiere das Leben in der Tiefe des Ozeans beobachten. Dann wieder hat es den Anschein, als vermittelten die Tänzerinnen auf der Bühne ihre inneren Gefühle und Sinneseindrücke, die sie mal mehr und mal weniger zwischen Individualismus und Gemeinschaft bewegen lassen. Bei der Performance „The Sea Within“ (Das Meer im Inneren) zeigt die belgische Tanzcompany Voetvolk (auf Deutsch: Fußvolk) im Ludwigshafener Theater im Pfalzbau Tanz in Perfektion und nimmt dabei das Publikum mit auf eine Reise bei der das Wir das Ich quasi umarmt.
Alles beginnt ganz langsam im Dunkel der Tiefe. Dort erwacht das Leben. Präzise und dabei jeden Muskel anspannend, sind die Bewegungen, die die Tänzerinnen aus sich hervorlocken. Nach und nach füllen immer mehr von ihnen den Bühnenraum, der noch in ein dämmriges Licht getaucht ist. Zart umschmeichelnd ist die Musik, die sie begleitet. Es ist diese Kombination aus minimalistischen Klängen des Synthesizers und einem starken Bass, der die Tiefgründigkeit und Schwermut des Meeres unterstreicht und der gesamten Szenerie eine besondere Note gibt. Der Soundtrack wurde von Maarten Van Cauwenberghe, Elko Blijweert und Bjorn Eriksson komponiert.
Die Ruhe nach dem Sturm
Das Konzept und die Choreographie des Stückes stammen von Lisbeth Gruwez. Gemeinsam mit Maarten Van Cauwenberghe gründete die Tänzerin 2007 die belgische zeitgenössische Tanz- und Performance-Gruppe Voetvolk. In „The Sea Within“ tanzt Gruwez das erste Mal in ihrer Karriere nicht selbst mit, sondern lässt neun Tänzerinnen vor einer, vor allem durch die Lichttechnik – verantwortlich für diese ist Harry Cole – immer wieder anders erscheinenden, atemberaubenden Landschaft, agieren.
Die Tänzerinnen nehmen einander wahr, verkörpern einen engen Zusammenhalt und werden dabei, seeanemonengleich, durch die Strömung hin- und her bewegt. Der Seegang wird durch einen Sturm stärker und verursacht ein Chaos. Die Frauen sind ihm ausgeliefert. Begleitet von einem klanglichen Donnergetöse werden sie auseinandergestoben. Mit ganzer Kraft stemmen sie sich dagegen und mit innerer Aggressivität und kämpferischer Ekstase entscheiden sie den Überlebenskampf für sich.
Es folgt die Ruhe nach dem Sturm. Mit einem leisen Summen stimmt jede Einzelne in Drehbewegungen ein. Die kennt man so vom Tanz von Derwischen. Wie von selbst fügen sich die Frauen wieder in inniger Harmonie zusammen, ohne ihre jeweilige Eigenart zu verlieren. Es ist eine erstaunliche Performance, bei der es ihnen in unnachahmlicher Weise gelingt, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Für die Beobachter ist dies ein besonderes ästhetisches Vergnügen.
Am Ende gibt es stürmischen Applaus. Mehrmals müssen sich die Tänzerinnen dem Publikum zeigen.
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