Pop

Crash Test Dummies in Heidelberg: Der Summende Bariton-Bär

Die Crash Test Dummies sind im Karlstorbahnhof in Heidelberg aufgetreten. Die Band tritt dabei einnehmend und sympathisch auf. Was sie mit ASMR und Weihnachten zu tun hat

Von 
Martin Vögele
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Auch eine „Jingle Bells“-Version spielten die Crash Test Dummies. © Rudolf J. Uhrig

Heidelberg. „Am Anfang war nicht das Wort“, singt Brad Roberts in „Sacred Alphabet“, als sich das Konzert der Crash Test Dummies im Heidelberger Karlstorbahnhof allmählich seinem Ende zuneigt. „Noch nicht.“ In der Tat: Am Anfang war das Summen. „Mmm Mmm Mmm Mmm“, tönte der kanadische Sänger im Refrain des gleichnamigen Songs, der wie wohlig warm temperierter Honig aus den Lautsprechern tropfte und seine Band aus dem Stand in die internationalen Charts schleudern sollte. 1993 war das, also lange bevor das elektrifizierende Kribbelgefühl „ASMR“ („Autonome sensorische Meridianreaktion“) einen Namen erhalten und zum Schlagwort avancieren würde.

Man konnte damals bei all der liebenswürdigen, Bariton-bärigen Brummigkeit von „Mmm Mmm Mmm Mmm“ leicht überhören, dass es in den Strophen gesellschaftskritisch zuging, darin von der Ausgrenzung und Pein junger Menschen gesungen wurde, die nicht der Normgesellschaft entsprachen oder vom Glück übergangen worden waren.

So oder so wurde das dazugehörige Album „God Shuffled His Feet“ ein weltweiter Erfolg, den die Gruppe aber in der Folgezeit nicht wiederholen konnte. Die Band legte Mitte der 2000er eine längere Pause ein, fand aber wieder zusammen, und zum 30. Wiegenfest des Langspielers starteten die Crash Test Dummies schließlich eine Jubiläumstour. In deren Verlauf (auch wenn der eigentliche Geburtstag jetzt schon ein bisschen zurückliegt) statten sie auch dem bestuhlten, proppenvollen Karlstorbahnhof einen Besuch ab. In Vergessenheit sind die Crash Test Dummies also offenkundig nicht geraten. Es fällt jedenfalls auch leicht, die Gruppe zu mögen, die hier ohne jeden Anflug von Alt-Star-Dünkel und Allüren zur musikalischen Tat schreitet. Das Quintett um Brad und seinen Bruder, Bassist Dan Roberts, sowie Ellen Reid, die das Akkordeon spielt und deren Co-Gesang einen silberhellen Kontrapunkt zum raumgreifend tiefen Stimmvolumen des Frontmanns setzt, wirkt fast wie die freundliche Folk-Rock-Band aus dem Nachbar-Proberaum.

Wobei das Rockige eher in zweiter Reihe bleibt und es selten schnell, dagegen häufig in balladesk-gemächlichem Modus zugeht. Das Material dazu liefert vor allem „God Shuffled His Feet“, dessen Stücke zum größten Teil (neun von zwölf Titeln) gespielt werden; dazu kommen frühe Nummern wie „Superman’s Song“ oder das Titellied des 1993er-Debütalbum „The Ghosts That Haunt Me“ nebst späteren und jüngsten Kompositionen wie „Heart Of Stone“ und „Sacred Alphabet“.

Rockig-munter gerät indes das XTC-Cover „The Ballad Of Peter Pumpkinhead“, das 1994 der Band-Beitrag zum Filmsoundtrack von „Dumm und Dümmmer“ war. Und in der Zugabe präsentieren die Kanadier – allen früh-vorweihnachtlichen Ernstes – eine seltsam-schöne „Jingle Bells“-Version, die nach einer Thronsaal-Polka klingt, die zu Ehren von Henrik Ibsens „Peer Gynt“-Bergkönig aufgeführt werden könnte. „Mmm Mmm Mmm Mmm“ markiert erwartungsgemäß den Schlusspunkt, und hierbei operiert die Band ohne endlos lange Refrain-Wiederholungsschleifen, wie das bisweilen bei Hit-Zugaben so üblich ist. Alles sehr einnehmend und sympathisch.

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