Kunst - Die Plakatausstellung "Mut zur Wut" in der Alten Feuerwache Heidelberg ist frech und auf sympathische Weise unangepasst

Couragierter Auftritt und politisch unkorrekt

Von 
Caroline Blarr
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Die Facette reicht von "Putinocchio" über das Küken, das sich freut, ein Chicken Nugget zu werden, bis "Ego."

© MZW

"Du bist einzigartig!" steht da in dicken Lettern vor weißem Hintergrund. Was auf den ersten Blick wie eine abgenutzte Plattitüde klingt, offenbart bei genauem Hinsehen eine bittere Erkenntnis: Die Buchstaben sind aus Fingerabdrücken. Am Pranger stehen beim Schweizer Plakatkünstlers Niklaus Troxler aber nicht nur fragwürdige Methoden staatlicher Geheimdienste. Es ist auch der sorglose, fahrlässige Umgang vieler Internetnutzer im Umgang mit persönlichen Daten. Ähnlich auch das, was Em Kachouro intendiert: George Orwells Klassiker "1984" wird kurzerhand ins Jahr 2014 überführt. Wer den dystopischen Roman über die skrupellosen Praktiken eines totalitären Überwachungsapparats kennt, braucht nicht mehr als diese beiden Zahlen, um die Analogien zu ziehen.

Wie alle 1220 Gestalter aus über 50 Ländern, die am internationalen Plakatwettbewerb "Mut zur Wut" teilgenommen haben, provozieren sie mit plakativen Botschaften. Doch gerade die Einfachheit macht ihre Stärke aus. Wortspiel und Symbolik sprechen für sich, zwingen zum Hinschauen: Aus dem amerikanischen Saatgutkonzern Monsanto wird bei Lena Thomaka kurzerhand Monosanto und Mado Klümper lässt Putins mit übergroßer Nase zum Putinocchio degenerieren. Gezeigt werden die Arbeiten dort, wo sie als Plakatkunst angesiedelt sind: im öffentlichen Raum und mitten im täglichen Leben. In der Galerie der Alten Feuerwache sind die Siegerplakate der über 2500 Einsendungen zu sehen.

Die Auswüchse der globalen Konsumgesellschaft sind als zweites großes Thema sehr präsent. Nicht Kleider, sondern Kinder machen Leute bei Elias Riedmann und bei Klara-Sophie Neubauer heißt es lapidar: "Von Kindern für Kinder". Lilia Kraus entwirft in "What a wonderful World" in naiver Malbuchästhetik eine beinahe idyllische Bauernhofszenerie voll blutender Tierkadaver zwischen glücklich spielenden Kindern. Gegen den Trend stellt sich Johanna Heck, die schelmisch fragt: Wie essen wir denn diese Woche? Flexitarisch, Freegan oder Frutarisch? Nur um dann kategorisch klarzustellen: "Mir Wurst." Politisch korrekt ist das nicht, aber frech und auf sympathische Weise unangepasst.

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