Ludwigshafen. Die Kulisse: nichts als eine weiße Wand. Der Sound: ein Sommerregen, abgelöst von Vogelgezwitscher und lautem Atmen. „Ho-hi-ha-ha“, haucht eine Tänzerin sanft in ein Mikrofon. „He, he, he, tsssssch“, schnauft eine andere und setzt damit den Rhythmus, der, gesampelt und sparsam unterlegt mit elektronischer Musik von Louis Dufort, den Klangteppich bildet für 60 fulminante Minuten zeitgenössischen Tanz, mit dem die Compagnie Marie Chouinard zwei Abende lang im Theater im Pfalzbau begeisterte.
„Sie ist die kanadische Pina Bausch“, hatte Eric Gauthier, der Tanz-Kurator der Festspiele Ludwigshafen, seine 68-jährige Landsfrau angekündigt, die seit 40 Jahren mit avantgardistischen, immer wieder Tabus brechenden Stücken die Tanzwelt aufmischt. Auch ihre jüngste Kreation „M“, im Januar in Quebec uraufgeführt und nun auf Europa-Tournee, sprüht vor Lebensfreude. Die Choreographin, Regisseurin und bildende Künstlerin lässt ihre sieben Tänzerinnen und vier Tänzer keuchend, stöhnend, seufzend und in Sprechgesängen in einer Fantasiesprache lautmalen, während sie Bühne und Menschen in bunteste Farben taucht.
Brustkörbe wie Blasebalge
Neongelb, orange und lila sind die Trainingshosen, leuchtend rot und pink die Perücken der Tänzer. Wechselnde Lichtfarben lassen die nackten Oberkörper aller Akteure weiß, grau, blau und grün schimmern und zeigen effektvoll Rippenbögen und Brustkörbe, die sich heben und senken wie ein Blasebalg, während die Choreographie Fahrt aufnimmt.
Die Loops der Soundpartitur finden ihre getanzte Entsprechung in sich wiederholenden Bewegungsphrasen. Immer wieder scheren einzelne solistisch aus der Synchronität aus, um wenig später erneut von der Gruppe verschluckt zu werden. Und während das Stück unaufhaltsam und immer lauter atmend seinem Höhepunkt entgegentreibt, entfaltet es einen Sog, der auch dem Zuschauer den Atem nimmt - bis das Geräusch des wieder einsetzenden Sommerregens für Abkühlung sorgt.
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