Mannheim. Ein Schlagzeug am rechten Rand der hinteren Bühne ist von oben rot bestrahlt. Ebenso sind zwei Bänke an jeder Bühnenseite in glühendes Licht getaucht. Nur der Hintergrund zeigt ein entspanntes Blau, ein himmlischer Gegensatz zum schwarzen Tanzboden als Spielfeld. Joël Allouche setzt in „Atalantes“ die ersten Zeichen in den Raum. Es sind die Klangzeichen seiner Schläge auf Holz, Fell und Metall, die sich dann zum Rhythmus einstellen und den Tanz auf den Plan rufen. Zunächst nur zwei Tänzerinnen, beide in schlichten schwarzen Kitteln und dunklen Socken am Fuß. Gesicht und Hals, Hände, Knie und Waden der beiden sind unbedeckt und setzen im Licht ein eigenes Kontrastfeld zum gesamten Arrangement.
Wie Spielfiguren bewegt sich das Duo in einer schlichten ausgreifenden Schrittbewegung nebeneinander auf einer fiktiven Linie im Raum. Bald wechselt eine die Richtung durch eine Wendung des Körpers, steht dann parallel zur anderen, während beide ihre einfache Schrittfolge beibehalten. Immerzu weiter bewegt sich das Duo, einer Geometrie des Raumes folgend, bis sich die am Körper anliegenden Arme zu kurzen dramatischen Gesten aus der Starre befreien. Dazu schlägt der Musiker einen vielschichtigen Rhythmus, der sich wie ein starker Lebenstrieb generiert.
Ausbruch aus synchronen Mustern
In südfranzösischen Montpellier ist Didier Théron mit seiner international tanzenden Kompanie ansässig. Seit der Uraufführung seines Stücks „Resurrection“ von 2019 pflegt das Mannheimer Eintanzhaus eine produktive Zusammenarbeit mit dem Choreografen. Während der Pandemie 2020/21 entstand das Videoprojekt „The Mannheim Piece“, das Tänzerinnen aus Europa digital zu Proben verband. Daraus hat Théron „Atalantes“ entwickelt, ein Stück für sechs Tänzerinnen, das der Göttin Atalante aus der griechischen Mythologie gewidmet ist. Sie ist eine starke Außenseiterfigur mit ausgezeichneten Fähigkeiten im Jagen und Kämpfen. Auf Vasenbildern erscheint sie als Athletin, aber auch im für Akrobatinnen und Tänzerinnen typischen Gewand. Théron widmet dieser Figur einen an Akkuratesse und Geschicklichkeit reichen Tanz von athletischer Ausdauer, gepaart mit dem jazzigen Sound und dem feurigen Beat von Allouche.
Bald stehen dem Duo vier weitere Tänzerinnen im gleichen Outfit zur Seite, die in dem gut 60 Minuten dauernden Stück den Zuschauern das Staunen über die Kunst von mutigen Einzelgängerinnen vermitteln. In feinsten Übergängen bestimmen die sechs Akteurinnen bald als Gruppe im Gleichschritt den Raum, bald vereinzelt zum Duo, während die anderen auf den Bänken ausharren. Aus den einfachen Schritten sind hoch komplexe choreografische Figuren entstanden. Und aus den synchron getanzten Mustern steigt immer wieder eine Performerin aus, durchbricht das vertraute Vokabular und zeigt etwas Neues.
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