Mit einem über dreistündigen Konzert sind die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt zu Ende gegangen. Zwei Wochen lang hatten fast 400 junge Komponisten und Interpreten Workshops, Seminare, Konzerte und Einzelunterricht zu Neuer Musik besucht. Wenn ein Stück um 4.33 Uhr nachmittags beginnt, von wem könnte es anders sein als von John Cage? Manch ein Politiker könnte sich heute noch ein Vorbild am amerikanischen Komponisten (1912-1992) nehmen - und 4:33 Minuten schweigen. Cage stand vor allem deswegen thematisch im Fokus der Ferienkurse, weil er dieses Jahr seinen 100. Geburtstag gehabt hätte. Bei zwei Besuchen hatte er die Darmstädter Veranstaltung einst wesentlich beeinflusst. Eine weitere originelle Idee war, das achtseitige Klavierstück "As SLow aS Possible" von John Cage auf rund 48 Stunden ausgedehnt, aufzuführen.
In einem Abschlusskonzert mit dem Titel "Liquid Room" (fließender Raum) traten Musiker des Ictus Ensembles in verschiedener Zusammensetzung mit verschiedenen Stücken auf, die teilweise ineinanderflossen und auf fünf verschiedenen Bühnen präsentiert wurden. Auch das Publikum, das auf Papphockern oder auf auch dem Boden saß oder stand, konnte sich fließend bewegen und jederzeit den Raum betreten oder verlassen.
Sinnfreies von Kurt Schwitters
Jennifer Walshe und Michael Schmid führten Kurt Schwitters' Ursonate, bestehend aus sinnfreien Lauten, in einem atemberaubenden Tempo auf. Viel Applaus bekam auch eine "Sofort-Komposition" von Stefan Prins, Tom Pauwels und Matthias Koole für zwei E-Gitarren und Elektronik. Sie erzeugten etwa Klänge, indem sie mit einem Cellobogen auf Gitarrensaiten strichen. Einige Workshopteilnehmer führten ein Stück auf, für das sie sich unter das Publikum mischten, Schlaflieder sangen und sich selbst dabei aufnahmen, um die Stücke später an Kinder zu schicken.
Der diesjährige Kranichsteiner Musikpreis wurde im Bereich Komposition an Johannes Kreidler verliehen. In der Sparte Interpretation ging er an das Ensemble Dal Niente. Daneben wurden einige Stipendien für die nächsten Darmstädter Ferienkurse in zwei Jahren vergeben. Thomas Schäfer, Direktor des Internationalen Musikinstituts in Darmstadt, zeigte sich nach dem Abschlusskonzert "voll der Eindrücke" und sagte, nun sei er ganz "beseelt". Auch die Ferienkursteilnehmer, die teilweise aus Korea, Japan, Belgien und den USA angereist waren, waren sehr zufrieden.
Für Max Hundelshausen, der im zweiten Semester Komposition und Tonmeister in Detmold studiert, waren die Tage ein Erfolg: "Ich habe viele Ensembles und Musiker kennengelernt, die nun Stücke von mir spielen oder für die ich Stücke schreiben werde. Ich habe tolle Begegnungen mit Menschen gehabt. Der Dialog mit Studenten und Dozenten war einfach großartig. Und die Musik - ich konnte jeden Tag in ein Konzert mit Neuer Musik gehen." Besonders die Kompositions-Studierenden zeigten sich begeistert von privaten Unterrichtsstunden bei bekannten Komponisten wie Ferneyhough, Aperghis, Spahlinger oder Saunders. In zwei Jahren wird es zu diesem Austausch in Darmstadt wieder Gelegenheit geben.
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