Mannheim. „Wir kommen in Frieden“, begrüßt Sänger und Gitarrist Joey Burns das Publikum, bevor die US-amerikanische Band Calexico ihr Konzert im ausverkauften Alten Kino Franklin startet: Eine ironische Spitze in Richtung der aggressiv-solipsistischen Trump-Politik, mit der sein Heimatland die Welt erschaudern lässt. Es ist eine Politik, der die Musik der Gruppe diametral entgegenzustreben scheint, die Burns und Schlagzeuger John Convertino 1996 in Tucson, Arizona, gründeten. Fortan schufen sie im erweiterten Bandkreis eine Sound-Symbiose, die sich auf der – frei in beide Richtungen passierbaren - Grenze zwischen US-Americana-Folklore, mexikanischer Mariachi-Musik und Indie hin und her bewegt und gern auch als „Tucson-Desert-Rock“ beschrieben wird, als Wüsten-Rock.
Doch karg oder trostlos ist daran nichts: Es sind Songs voller Leben, voller Wärme, Gefühl und Empathie, die in den folgenden über zwei Konzertstunden erklingen.
Zwei US-Musiker als Don Quijote und Sancho Panza
Im Alten Kino Franklin, der Schauspiel-Stätte des Nationaltheaters, sind Calexico in Trio-Form zu erleben, wobei Burns‘ und Convertinos langjähriger Mitstreiter an der Trompete (sowie an Lap-Steel-Gitarre, E-Bass, Mundharmonika), Martin Wenk, übrigens gebürtiger Nordhesse ist. Burns‘ Vorfahren wiederum stammen aus Baden-Württemberg, verrät er. Calexico eröffnen das Konzert mit der wunderbar schwermütigen, Mandolinenklang-sirrenden, Hall-verhangenen und Trommeldonner-rollenden Ballade „Don Quixote“, was perfekt mit dem Theater-Kontext harmoniert. Schließlich hatten Burns und Convertino Ende vergangenen Jahres musizierend (unter anderem) Don Quijote und Sancho Panza auf der Bühne des Wiener Volkstheaters verkörpert, in Anna-Sophie Mahlers Inszenierung des Tennessee-Williams-Stücks „Camino Real“.
„Frontera / Trigger“ mit seinen raunend gesungenen Leonard-Cohen-Anklängen lässt hiernach seine melancholische Trompeten-Klage durch den Saal wehen, „Para“ rockt schroff und wuchtig, „Fortune Teller“ spielt Burns - leise und warmherzig - zum Ende des ersten Teils allein mit der Akustikgitarre.
Ausgezeichneten Konzertort mit dem Alten Kino gewählt
Veranstalter Delta Konzerte hat mit dem Franklin-Kino einen ausgezeichneten Konzertort gewählt: Der Sound ist plastisch und klar, die Bühne mit dem ausladenden roten Theatervorhang im Rücken der Band und dem expressiven Scheinwerfer-Lichtspiel lässt manchmal an einen David-Lynch-Film denken.
Nach der Pause taumelt der „Sunken Waltz“ hinreißend schwankend über die Bühne, „Lost Inside“ schaukelt im hufklappernden Rhythmus melancholisch-gemächlich hinterher. „Not Even Stevie Nicks“ geht fließend in eine spektakulär aufwühlende Adaption von Joy Divisions Seelen-Requiem „Love Will Tear Us Apart“ über.
Zum regulären Konzertende spielen die Drei eine weitere Coverversion, Dick Dales Surf-Rock-Instrumental-Klassiker „Misirlou“. Für erst eine Zugabe (das furiose „Cumbia de Donde“), dann noch eine weitere sorgt das Publikum mit Händen und Füßen und stürmischem Applaus. Mit „The Lonely Spider“, einem Lied der 2010 verstorbenen US-amerikanisch-mexikanischen Sängerin Lhasa de Sela, endet ein Konzert, von dem man sich noch sehr lange am Lagerfeuer der guten und schönen Erinnerungen erzählen wird.
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