Theater

Büchner zum Mitdenken: "Woyzeck" am NTM

Es geht um Themen wie emotionale Abhängigkeit, Gewalt und psychische Erkrankungen: Der junge Regisseur Branko Janack führt „Woyzeck“ am Nationaltheater Mannheim auf

Von 
Sabrina Ranaldi
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Thematisiert im Stück Abhängigkeit und Gewalt: Branko Janack. © Rinderspacher

Mit seiner Textfassung von Georg Büchners „Woyzeck“ bringt Branko Janack am Donnerstag, 20. Oktober, 20 Uhr, im Werkhaus des Nationaltheaters einen Klassiker in moderner Verpackung auf die Bühne. In „Woyzeck“ geht es um den gleichnamigen Wachmann, der, um seine Lebensgefährtin Marie und ihr gemeinsames Kind zu versorgen, alle möglichen Formen der Arbeit gegen mickrige Bezahlung annimmt. Regelmäßig von seinem sozialen Umfeld erniedrigt und in seinem trüben Schicksal stagnierend, greift Woyzeck zur Waffe und ermordet Marie. Laut Janack ist die Botschaft des Stücks zeitlos. Der Machtmissbrauch, Kernthema des Stückes, sei im hierarchischen System der Gesellschaft immer noch präsent. Folge seien sozialer Druck und eine Spirale der Gewalt. Dem Team sei es mit dem Stück gelungen, eine „Welt zu schaffen, mit der wir auch heutzutage einen Blick auf die Gesellschaft werfen können“, sagt Janack. Der Regisseur möchte dazu anhalten, dies auch zu tun. Die Inszenierung sei ein „Mitdenktheater“, die bestenfalls zum Nachdenken anrege.

Auch habe man sich lange Gedanken gemacht, wie man der Figur der Marie gerecht werden könne. Nun erzähle man die Geschichte der selbstbewussten Frau, die Marie schon immer gewesen sei. Sie versuche sich in dem Stück aus einer emotionalen Abhängigkeit zu lösen, indem sie eine Affäre mit dem Tambourmajor einginge. Diese emotionale Abhängigkeit darzustellen sei besonders wichtig, da diese in gewalttätigen Beziehungen eine große Rolle spiele. Die allgegenwärtige Gewalt in den zwischenmenschlichen Beziehungen der Figuren des Stücks solle transparent gemacht und ausgehandelt werden.

Ein Bruch mit dem Tabu

Um die psychische Erkrankung, die Woyzeck in dem Stück erleide, besonders realistisch darzustellen, sowie den heute zeitgemäßen Umgang damit kennenzulernen, habe das Team ein Gespräch mit dem sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas ausgemacht. Dies habe wichtige Hintergrundinformationen geliefert, sei der Umgang mit seelischen Erkrankungen doch zu Zeiten Büchners ein ganz anderer als heute gewesen. Doch auch heute sei dieser noch mangelhaft, da zwar löblicherweise mehr über Depressionen gesprochen werden würde, aber „es gibt ja noch ganz viele andere psychische Krankheiten wie zum Beispiel die Schizophrenie, welche Woyzeck aus heutiger Sicht häufig zugeschrieben wird. Die sind oft in der Gesellschaft immer noch stark tabuisiert“. Janack wünscht sich einen offeneren Dialog über alle psychischen Erkrankungen und sieht darin das Potenzial für ein besser funktionierendes Netz bei der Behandlung dieser.

Besonders gut gefalle dem jungen Regisseur die Sprache des Originals. Da es großen Spaß mache, sich mit dieser auseinander zu setzen, habe man sich in der Produktion bemüht, diese auf eine zuschauerfreundliche Art und Weise zu präsentieren. Zusammen mit Kostüm und Bühne soll so eine „Befreiung von der historischen Gegenwart“ stattfinden.

Frischen Wind dürfte die Inszenierung insbesondere durch die beiden Schauspieler Leonard Burkhardt und Omar Shaker bekommen. Die jungen Darsteller kommen neu an das Nationaltheater und feiern mit dem Stück ihr Debüt.

Info: Termine und Karten unter nationaltheater-mannheim.de 

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