Mozartsommer II - Wie "Mozart in Moskau" auch die großen Kinder glücklich macht

Bloß weg mit der gepuderten Perücke!

Von 
Hans-Günter Fischer
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Lehren uns mit "Mozart in Moskau" Humor, aber nicht das Fürchten (v.l.): Sebastian Brummer, Christian Sturm, Ludovica Bello, Nikola Diskic, Birte Hebold.

© Kleiner

Mozart schnarcht zu Anfang dieser Aufführung. Aber vor allem träumt er von der großen Freiheit. Endlich raus aus dieser Tretmühle und weg mit der gepuderten Perücke! Mozart hat es satt, das Noten setzen im Akkord, das nie durch eine feste Anstellung belohnt wird. Nicht im knauserigen Mannheim, nicht im undankbaren München. Nirgends. Und im provinziellen Salzburg will er auch nicht bleiben. Übermächtig wird "der ewig alte Wunsch, zu sein, was nicht geschrieben". Mozart möchte endlich einmal Schwein und Casanova sein, nicht Komponist. Lieber Kosak im Kaukasus: "Gebt mir die spröde Steppe!", fordert er.

So fängt "Mozart in Moskau" an, ein neues Stück, mit dem die Junge Oper Mannheim auf der großen Nationaltheaterbühne debütiert. Da durfte es nicht irgendetwas sein. Der Text stammt von dem niederländischen Erfolgstheaterautor Ad de Bont, die Töne haben Mozart und der prominente und humorerprobte Wiener Komponist Kurt Schwertsik beigesteuert. Viel mehr geht nicht, und es zahlt sich aus: Der Witz des Stücks besitzt enorm viel Geist - wie es sich ja für echten Witz gehört. Er ist zwar ab acht Jahren freigegeben, und das Publikum am Uraufführungsvormittag ist dementsprechend jung; aber auch große Kinder können damit glücklich werden.

Aus der Routine ausbrechen

Ad de Bont und Daniel Pfluger, dessen Inszenierung ihre Pointen treffsicher und trocken aus dem Ärmel schüttelt, zeigen Wolfgang Amadeus Mozart als ein unzufriedenes und unschlüssiges Nervenbündel, dem zumeist die anderen erklären, was das Beste für ihn sein soll. Manchmal sind das seine früh verstorbenen Geschwister, leblos, aber voller Hellsicht an den Fäden Birte Hebolds hängend, einer Puppenspielerin. Diese Geschwister raten ihm, aus der Routine auszubrechen. Mozart ist noch hin- und hergerissen: Komponist sein - oder doch Kosak? Konstanze lieben - oder doch Aloysia? Schauspieler Sebastian Brummer zeigt ihn uns als Hektiker.

Um ihn herum sind Sänger, teilweise in Doppelrollen: Imposant ist Ludovica Bello als 1,90 Meter große Großherzogin, die auch als Aloysia Weber ungemein gebieterisch agiert. Doch Astrid Kessler als Konstanze (und Pamina) wäre auch nicht nur eine Vernunftentscheidung. Christian Sturm ist nicht bloß Großherzog, sondern auch Zarin Katharina, und in letztgenannter Rolle wirkt er wie der große, böse, graue Wolf aus "Rotkäppchen", mit einem Eimer für die abgenagten Knochen (Kostüme und Bühne haben Janine Werthmann und Tessa-Veronika Janus erdacht). Und Nikola Diskic ist ein herrlich ungehobelt-papagenohafter Hausdiener Sebastian.

"Papagenohaft" passt auch schon deshalb, weil Kurt Schwertsik viele "Zauberflöten"-Stücke bringt, obwohl im Graben nur ein winziges Salonorchester sitzt. Doch Mozart wird dabei kein Haar gekrümmt. Und Schwertsiks eigene, kaum zehnminütige "Kosakenoper" klingt zwar mehr nach 20. Jahrhundert. Aber wirklich fürchten muss sich niemand.

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