Literatur - Die Comic-Episoden von Garry B. Trudeau über US-Präsident Donald Trump sind auf Deutsch erschienen

Blonder Dickkopf als Witzfigur

Von 
Oliver Seifert
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Ein Lieblingsheld des Cartoon-Zeichners Garry B. Trudeau: Donald Trump in einem Bild aus seinem Buch "Trump! Eine amerikanische Dramödie".

© Trudeau/Splitter Verlag

Nicht alle US-Präsidenten haben Glück. Ronald Reagan taucht als virtuelle Figur Ron Headrest auf, George W. Bush ist ein mit dem Sternenbanner umhülltes Nichts, Bill Clinton gibt eine schwebende Waffel. Nur Donald Trump darf er selbst sein als blonder Dickschädel mit komplexer Scheitelfrisur. Ob das nun mehr Glück ist oder Pech, müssen andere entscheiden.

Seit 30 Jahren spielt Trump in "Doonesbury", einem von Garry B. Trudeau entwickelten und täglich in Hunderten englischsprachigen Zeitungen erscheinenden Comicstrip, eine wichtige Rolle - nämlich die Rolle seines Lebens, die ihn vom Milliardär zum mächtigsten Mann der Welt werden ließ. Die Praxis hat das perfekte Drehbuch für eine unglaubliche Story geliefert, die Trudeau regelmäßig aufgreift und auf seine Art und Weise wiedergibt. Ob dabei fiktive Fakten reale Ereignisse stützen oder umgedreht, Trump bleibt jederzeit als Trump kenntlich.

Der Daily Strip "Doonesbury" arbeitet sich seit seiner ersten Veröffentlichung 1970 kritisch bis satirisch an den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen in den USA ab und erhielt dafür bereits 1975 den Pulitzer-Preis. Das zahlreiche, leicht unübersichtliche Stammpersonal wird immer wieder von prominenten Gästen heimgesucht - wie zum Beispiel Donald Trump. In "Trump! Eine amerikanische Dramödie" sind alle Episoden mit Beteiligung des Selfmade-Chefs im Zeitraum vom 14. September 1987 bis zum 17. April 2016 zusammengefasst. Je nach Perspektive ist es die Chronik des Aufstiegs eines Exzentrikers - und gleichzeitig die Chronik des Abstiegs einer ganzen Nation.

Komisches Trauerspiel

Der New Yorker Autor und Zeichner Trudeau, 1948 geboren und damit zwei Jahre jünger als der New Yorker Unternehmer und Politiker Trump, hat sich des Wahnsinns angenommen. Er präsentiert ihn in der komprimierten Version seiner Fortsetzungsgeschichte als Trauerspiel und Farce, die die im Titel avisierten Genres Drama und Komödie locker zu übertrumpfen wissen.

Viel muss nicht getan werden, um "Mr. T" oder "The Donald" als den zu charakterisieren, der er ist. Alles ist dem eigenen Geschäft untergeordnet, Aufmerksamkeit gilt es um jeden Preis zu erlangen. Sven Jachmann zählt im Vorwort all die Jobs und Rollen auf, mit denen Trump seit drei Jahrzehnten in "Doonesbury" brilliert: als "das Großmaul, der Macho, der Rassist, der Megalomane, der Sexist, der Narzisst, der Skrupellose, der Populist ..." (soweit soll es an dieser Stelle reichen).

Wie genau und weitsichtig relevante Karrierestationen (bei ihm gleichzusetzen mit einem Best-of von Verfehlungen) tagesaktuell festgehalten wurden, ist dank der Datierung gut nachzuvollziehen. Pointiert und plausibel in Bild und Text erzählt Trudeau von einem Mann, der über die Qualität seiner Luxusyacht schwärmt, aber nur sauteuer meint, der seiner Universität neben einem Wappen auch das Motto "Gier est bonum" (etwa: Gier ist gut) spendiert, der eine Kandidatur nüchtern als Win-Win-Situation mit grandioser Publicity beschreibt.

Großartig, wie Trudeau eine Wahlkampfrede auf das Wesentliche reduziert: "Größter! Bester! Ich! Unglaublich! Größter! Meiner! Längster! Größter!" und aus mehr als 500 Beleidigungen ein lukratives Geschäftsmodell entwickelt, für das auf der kompletten letzten Seite mit hochwertigen Produktbeispielen Werbung gemacht wird. Großartig ebenfalls, wie Trudeau in vielen Schritten eine komplizierte Haupthaarverlegetechnik am lebenden Subjekt erklärt, welches nach getanem Werk selbstverliebt als Mischung aus Drag Queen, Sugar Daddy und Clown dreinschaut.

Während Trump unter seinem Mega-Scheitel längst den Durchblick verloren zu haben scheint, hilft ihm Trudeau nonchalant auf die Sprünge in dieser Langzeitbeobachtung zweier Patienten (eines Mannes und eines Landes), die wir uns 2017 in besserer Verfassung wünschen würden. "Trump! Eine amerikanische Dramödie" ermöglicht im quasi doppelten Rückblick aus der Zeitzeugenschaft heraus einen ausschnitthaften, aber intensiven Eindruck von den US-amerikanischen Verhältnissen, wie ihn uns "Doonesbury" allgemein in abertausenden Episoden seit Dekaden versucht zu vermitteln: eine eigene Wirklichkeit, so fern und absurd, so nah und real.

Donald Trumps Würdigung dieser herausragenden Arbeit Trudeaus spricht für sich und ist stolz abgedruckt: "Tatsächlich lese ich dieses Zeug nicht. Wissen Sie, ich war gut in der Schule, aber ich verstehe im Leben nicht, worum es bei 'Doonesbury' geht". Wir leider schon, Mister President!

Zeichner und Pulitzer-Preisträger

  • Der US-amerikanische Cartoonist und Comicautor, geboren 1948 in New York, ist durch seine Serie "Doonesbury" bekannt geworden. Sie erscheint seit 1970 in englischsprachigen Tagezeitungen wie der "Washington Post" (USA) und dem "Guardian" (Großbritannien).
  • 1975 erhielt Trudeau als erster Comickünstler für die Serie des vorangegangenen Jahres den Pulitzerpreis für politische Karikatur.
  • Trudeau sorgte für Diskussionsstoff, als er 2015 die Cartoonisten des französischen Magazins "Charlie Hebdo" kritisierte - nach dem tödlichen islamistischen Terroranschlag auf die Pariser Redaktion. Er warf ihnen vor, vulgär zu sein und machtlose Minorität zu verspotten.

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