Enjoy Jazz

„Blind Date“-Konzert in Mannheimer Konkordienkirche

Von 
Martin Vögele
Lesedauer: 
Simon Foerster ließ die Harfe auf neue Weise erklingen. © Manfred Rinderspacher

Wir binden uns ein grünes Tuch vor die Augen und das Gehör wird zum alleinigen Bezugsorgan für das, was nun in der Mannheimer Konkordienkirche geschieht. Harfentöne heben an, knüpfen eine funkelnde Oberfläche, auf denen ein Saxofon gleitet, Schlagzeugbecken rascheln, ein Kontrabass tritt hinzu.

Dann bedeutet einem eine Berührung an der Schulter, die Augenbinde abzunehmen, die sinnbildlich die Vorgabe dieses Enjoy-Jazz-Konzertabends noch einmal vertieft: Es ist ein „Blind Date“, wer hier auftreten wird, bleibt zunächst einmal ein Geheimnis. Auch Festival-Chef Rainer Kern weiß es nicht, wie er bei Begrüßung verrät, die er gemeinsam mit der Vorsitzenden des Vereins livekultur mannheim bestreitet, mit Nadja Peter, die den (zusammen mit der CityKirche Konkordien ausgerichteten) Abend auch konzeptioniert hat.

Die vorwiegend in Mannheim ansässigen Künstler haben noch nie in dieser Konstellation zusammen gespielt, berichtet Peter. Vielmehr haben Harfenist Simon Foerster, Saxofonistin Michelle Labonte, Kontrabassistin Rebecca Mauch und Schlagwerkerin Cris Gavazzoni gerade Mal zwei Stunden zuvor zusammengefunden – und sind dabei auch Choreografin Christina Liakopoyloy und Street-Dance-Weltmeister David Kwiek („Mr. Quick“) begegnet, die das Konzert tänzerisch begleiten.

Alles geschieht also spontan und improvisiert, und umso erstaunlicher ist es, wie schlüssig aufeinander bezogen und auskomponiert es klingt, was das Quartett in den kommenden 90 Minuten spielt. Eineinhalb Stunden, in denen sie zwischen zeitgenössischer Musik und Jazz-Idiomen changieren, dabei in Rhythmik und Tonalität vielfach die musikalischen Konventionen der westlichen Tradition transzendieren, nach Südamerika, in den nahen und fernen Osten reisen.

Farbenreiches Vokabular

Es gibt elaborierte Dialoge, bald lyrische (sehr schön: das mit somnambuler Eleganz geführte Saxofon), bald expressive Alleingänge. Und es ist immer wieder die Rhythmussektion aus Schlagwerk und Bass, die einen packt, die extrem fokussierte Grooves hervorbringt. Dabei agieren alle Vier mit farbenreichem Vokabular, bisweilen kühn, mit dem Willen zum Experiment und zu avantgardistischen Ausdrucksformen. Exemplarisch ist das an Foerster festzumachen, der seine Harfe auch mit Streichbogen und präparierten Saiten spielt, sie immer wieder aus gängigen Hörerfahrungen ausbrechen lässt.

Die Tänzer tragen Stücke der Textilkünstlerin Rebecca Tonet – wechselnde Kapuzenoberteile, die an verschiedenen Stellen per Reißverschluss miteinander verbunden sind. Damit sind ihre Bewegungen sowohl auf sich wie auch auf die Musik bezogen, bringen ein Wechselspiel aus Nähe, Lösen und solistischer Souveränität hervor. In der Dating-Sprache würde man vermutlich sagen, dieses „Blind Date“ ist ein „Match“ – ein Volltreffer.

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen