Das Porträt - Philipp Ludwig Stangl ist der erste Professor für Multimedia an der Musikhochschule in Mannheim

Blick hinter die Wirklichkeit

Von 
Dan Eckert
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Blickt mit seiner Kunst - und der Kamera - gern "hinter die Wirklichkeit": Der Mannheimer Professor für Multimedia Philipp Ludwig Stangl.

© Rinderspacher

Etwas leer ist er noch, der neue Raum von Philipp Ludwig Stangl im fünften Stock der Musikhochschule mit Blick über die Dächer Mannheims. Neben Laptop, Bildschirm und Lautsprechern steht nicht viel auf dem Schreibtisch; eine einzelne Videokamera starrt auf einem Stativ weiße Wände an. "Das wird sich ändern", sagt Stangl und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Bald werden hier Rechner und anderes Equipment zur professionellen Videoproduktion stehen.

Bisher, erklärt er, sei er sehr glücklich hier. Als neuer Professor für Medienpraxis und audiovisuelle Gestaltung will er seinen Studenten Einblicke in die Welt der Medien vermitteln, die Bindungen zwischen Bild und Klang aus Sicht der Musik erkunden. Das kann von Musik-Clips übers Theater bis hin zu audiovisuellen Installationen reichen. "Meine Angebote sollen alle Studierenden ansprechen", sagt Stangl, "aus Tanz, Komposition, Jazz, den Instrumentalstudiengängen, der Musikforschung." Den Schwerpunkt legt er dabei auf die künstlerische Arbeit. "Ich versuche, die Medien als möglichst kreative Erweiterung der musikalischen Sprache zu vermitteln."

Praktisch bedeutet dies das Erlernen von Videoschnitt, Kameratechniken und professioneller Post-Produktion - in hoher Qualität. Um die zu gewährleisten, ist auch in einer Welt komplexer Produktionssoftware noch harte Arbeit nötig. "Ich bin immer damit konfrontiert, dass Studierende sagen: Da gibt's doch sicher ein Programm für", berichtet er. Aber so einfach sei es nicht. "In der Realität ist das eine stundenlange minutiöse Arbeit." Wer eine kreative Bildvorstellung umsetzen will, muss seine handwerklichen Mittel kennen.

Über seine eigenen Mittel herrscht indes kein Zweifel. An mehr als 50 Theaterproduktionen von modernem Tanz und Schauspiel bis zu intermedialem Musiktheater hat Stangl bereits als Komponist und Videokünstler mitgewirkt. Die Arbeit für die Bühne schätze er sehr. Gerade den Team-Aspekt, die ständige Auseinandersetzung mit den Kollegen aus Regie und Bühne findet er spannend. "Ich war nie ein Komponist, der im stillen Kämmerlein sein Werk schreibt und das dann zur Aufführung darreicht." Vielmehr suche er den Dialog mit allen Beteiligten eines Projektes. "Es geht mir nicht um die Selbstständigkeit einer Komposition, sondern um den Widerstand, die Auseinandersetzung mit anderen Disziplinen."

In der gigantischen Kommunikationsmaschine Theater muss sich jeder mit jedem arrangieren - "und wenn dabei Kunst herauskommt, ist das ein großartiges Gefühl." Auch in Mannheim war das so. An mehreren Produktionen war Philipp Ludwig Stangl am Nationaltheater bisher beteiligt, die "Faust"-Inszenierung von Georg Schmiedleitner mit seiner Musik läuft hier schon seit 2008. "Mannheim war für mich immer ein sehr inspirierender Ort", erzählt er. "Am Nationaltheater herrscht eine Herzlichkeit unter den Kollegen, durch die man direkt auf ein inhaltliches Arbeitslevel kommt."

In seiner Musik mischt Stangl instrumentale Klänge mit elektronischen, seine Projektionen wirft er auf sich bewegende Objekte, Nebel oder Kleidung. Oft verweben sich Musik und schnell geschnittene Bilder zu einem rhythmischen Geflecht aus Assoziationen, in das die Bühnenhandlung eingebettet ist. Dass er neben seiner Arbeit als Künstler auch unterrichtet, war für den 33-Jährigen ein intuitiver Schritt. "Man wird am Theater ständig damit konfrontiert, seine eigene künstlerische Position zu verbalisieren."

"Kein Selbsterfahrungshobby"

Danach falle es einem nicht mehr so schwer, das auch als Dozent anschaulich zu machen. Seit 2009 war Stangl drei Jahre lang an der Folkwang Hochschule in Essen als Lehrbeauftragter tätig, bevor er schließlich die Stelle in Mannheim bekam. Dank seiner praktischen Erfahrung kann er in seinem Unterricht theoretische Konzepte mit der Arbeitsrealität eines Künstlers verbinden. "Wir wollen mit der Kunst möglichst hinter die Wirklichkeit schauen", erklärt er und weiß gleichzeitig, dass man dabei immer dem realen Arbeitsprozess mit all seinen Kompromissen, Verspätungen und Hindernissen Rechnung tragen muss: "Es soll ja am Ende auch ein Beruf werden - und kein Selbsterfahrungsedelhobby."

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