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Blick hinter die Kulissen des Cirque du Soleil

Der Cirque du Soleil gastiert im Sommer mit seiner Show „Luzia“ in Frankfurt. In Madrid haben die Macher einen Einblick gegeben, welch beeindruckende Arbeit hinter der Produktion steckt

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Markus Mertens
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„Luzia“, die aktuelle Cirque-du-Soleil-Show zur Magie Mexikos, spielt vor allem mit dem Element Wasser. © Matt Beard

Mannheim. Wenn sich Licht (luz) und Regen (lluvia) in wilder Umarmung begegnen, erscheint das, was dabei für gewöhnlich entsteht, zunächst wenig wünschenswert: Unklarheit, Nebel, Verblendung. In „Luzia“, dem neuen Cirque-du-Soleil-Spektakel, kommt die Fusion der beiden Elemente einer Verheiratung gleich – und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

Zum einen, weil Regisseur Daniele Finzi Pasca sein Bild eines träumerischen Mexiko, das sich in „Luzia“ wie in einem klaren See spiegelt, keineswegs pompös in Szene setzt. Stattdessen entsteht im Escenario Puerta del Angel im Zentrum von Madrid jener Zauber, der fast schon träumerisch in ein Land entführt, das man in derart pluraler Diversität kaum je erleben durfte. Es ist die Landung eines Fallschirmspringers in einem Feld aus 5000 Ringelblumen, die den Zuschauer auf ein Trampolin der Erlebnisse wirft – und dabei tief poetisch vorgeht.

Neuvermessung der Dimensionen

Zwar reist auch „Luzia“ bereits seit 2016 über die Kontinente. Doch nicht nur die Komplexität der Produktion lohnt einen präzisen Blick. Einerseits bleiben Inszenierungen des Cirque-Ensembles stets Show-Formate im Fluss von Verfeinerung und Perfektion, andererseits haben die Verantwortlichen auch zwei Jahre Corona-Zwangspause nicht untätig an sich vorbeiziehen lassen. Bevor „Luzia“ also im Sommer 2023 in der Main-Metropole Frankfurt auf sich und die Magie Mexikos aufmerksam machen soll, wird eine Pressereise in Spaniens Hauptstadt zu einem Blick in Hintergründiges, das selbst für Zirkus-Routiniers die Grenzen der Normalität wirkungsvoll zu dehnen versteht.

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Der Cirque du Soleil mit seinem Programm "Luzia"

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Diese Neuvermessung der Dimensionen beginnt bereits beim Fundament dieser Produktion, dem Zelt. Mit 19 Metern Höhe und einem Durchmesser von 51 Metern fasst das „Grand Chapiteau“ jeden Abend mehr als 2600 Gäste – die ganzen Nebenzelte und Truck-Anlagen, die für technische Versorgung, Gastronomie, Training und Kulissenlagerung notwendig sind, noch gar nicht mitgerechnet. Volle acht Tage benötigt ein Team aus Zimmermännern, Schweißern, Klempnern und Elektrikern, um aus 80 Sattelaufliegern Material den Ort zu formen, an dem der Mythos Realität werden darf.

Sprung durch Reifen mit 75 Zentimenter Durchmesser

Ein Team aus 115 Personen reist für diese Mission ständig und ohne Pause um die Welt – vom Lichttechniker bis zum Sicherheitsmanager, vom Kostümspezialisten bis zum Physiotherapeuten. Einer von ihnen ist Peter Carnell. Als Leiter der Beleuchtung ist er unter anderem Herr über einen Regenteppich, der seine eigenen Gesetze schreibt. Anstatt Bilder zwischen Leidenschaft und Folklore schlicht über Projektionen auf das Wasser zu bannen, hat man sich für „Luzia“ zur Installation einer riesigen Hängebrücke entschlossen, die 174 elektromagnetische Düsen beherbergt – jede von ihnen individuell steuerbar.

Hintergründe, Zahlen, Fakten

  • Cirque du Soleil ist ein 1984 von Guy Laliberté im kanadischen Montréal gegründetes Zirkus- und Entertainment-Unternehmen mit weltweit rund 1500 Beschäftigten.
  • Nach Erfolgen wie „Alegría“ (1994), „Corteo“ (2005) oder „Amaluna“ (2012) ist „Luzia“ die 38. Originalproduktion.
  • Die Show präsentiert die traumhafte Reise eines Fallschirmspringers, der plötzlich in Mexiko landet und eine Nation voller Überraschungen kennenlernt.
  • Für die Show, die mit 115 Personen aus 26 Nationen um die Welt reist, sind täglich 1000 Stücke Kostüm notwendig.
  • Das 19 Meter hohe Grand-Chapiteau-Zelt mit einem Durchmesser von 51 Metern fasst mehr als 2600 Personen.
  • Von 13. Juni bis 16. Juli 2023 gastiert „Luzia“ auf dem Festplatz am Ratsweg in Frankfurt.

Über einen 10 000 Liter fassenden Spezialtank desinfiziert, aufbereitet und auf 39 Grad erwärmt, wird das Wasser über ein komplexes Leitungssystem in das Zelt gepumpt, wo es bei akrobatischen Höchstleistungen für die passende Regenstimmung sorgt oder ganz eigene Bilder präzise auf den fluiden Vorhang zeichnet.

Ein „aquagrafisches System“ nennen das die Macher, von schier konkurrenzloser Ästhetik sprechen hier selbst Experten. Wer will, könnte allein über die technischen Finessen von „Luzia“ munter weiter philosophieren. Etwa über die imponierende Rundbühne, die trotz ihres tonnenschweren Gewichts zu einem rasanten Drehteller der Emotionen zwischen aztekischer Tradition und moderndem mexikanischen Humor avanciert. Die riesigen Laufbänder, die Artisten in Windeseile zum Sprung durch Reifen mit nur 75 Zentimeter Durchmesser animieren. Oder den 30 Meter breiten Vorhang aus sogenanntem Papel Picado (perforiertem Papier), der durch 13 000 ausgestanzte Löcher als Scherenschnitt von einzigartigem Ausmaß dienen dürfte.

Artisten füllen mit Leben

Doch sind es nach wie vor die Artisten, die das Kunstwerk mit Leben versehen. Eine der wenigen Deutschen, die es ins Ensemble geschafft haben, ist Lea Toran Jenner. Auch wenn die junge Künstlerin erst seit gut einem Jahr bei Cirque du Soleil aktiv ist: Ein Traum war dieses Engagement für die Cyr-Wheel-Artistin schon immer. Seit die Ulmerin, die zuvor unter anderem bei „Moulin Rouge“ in Paris aktiv war, die Zirkusschule verließ, wusste sie: „Wenn du es geschafft hast, zu Cirque du Soleil zu kommen, wirst du Teil von etwas Besonderem.“ An ihrem Gerät, das viele Turn-Traditionalisten an das Rhönrad erinnert, werde sie durch das professionelle Coaching, die ständige Weiterentwicklung und das hoch erfahrene Umfeld geschätzt, gefordert, aber auch motiviert, jeden Tag über sich hinauszuwachsen.

So formen sich zahllose Eindrücke am Ende zu mehr als zwei Stunden Poesie, die zwei Gewissheiten mit sich führen: dass Cirque du Soleil seit seiner Gründung 1984 auch nach Erfolgen wie „Alegría“, „Corteo“ und „Amaluna“ ebenso hungrig wie innovativ geblieben ist – und dass sich Frankfurt für das kommende Jahr auf ein einzigartiges Zirkuserlebnis wird freuen dürfen.

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