Der Blick ist auf eine verschneite Küstenlandschaft gerichtet. Davor bilden hölzerne Stege mit ihren linearen Strukturen ein optisches Sperrgatter. Der nüchternen Komposition sind rote, blaue und schwarze Farbelemente zugefügt. Manche der vorgegebenen Linien werden durch sie begleitet, andere Striche überschneiden sie schräg und bilden so ein neues Gefüge, das Dynamik mit der Ruhe der Winterlandschaft verbindet.
Auf etwa 50 Fotos erscheinen in der Heidelberger Galerie Philippi Landschaften, Stadtansichten, Gebäude, Männerakte, Bäume, Wandflächen und fast abstrakt wirkende Motive. Sie stammen von Martin Zeller, der 1961 in Mannheim zur Welt kam und 2009 in der Kunsthalle die in Hong Kong entstandene Werkgruppe "The Diagonal Mirror" zeigte. Nun hat die Schriftstellerin und Malerin Sou Vai Keng seinen Fotos künstlerische Zeichen hinzugefügt. Die mit Pinseln aufgetragenen Striche, Linien, Kurven und Tupfen stellen ein optisches Gegengewicht voller Dynamik, Poesie oder verhaltener Emotion zu den ruhigeren Strukturen des Fotos her. Die Farbe überdeckt nur selten die Foto-Schicht, bedingt durch die hohe Saugfähigkeit des Reispapiers, auf dem die Bilder gedruckt sind.
Gewidmet haben beide ihre Ausstellung Edvard Munch (1863-1944). Die Entstehungsorte der Fotos, Oslo und Berlin, verweisen auf die wohl wichtigsten Stationen im Leben des Malers, der mit seinem Drängen nach Ausdruck psychischer Extremzustände zum Vorbild der Expressionisten werden sollte. Das Werk Munchs hat die Künstlerin aus China und den westeuropäischen Fotografen dazu gebracht, die eigene kulturelle Tradition aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und zu überdenken.
In den Bildern von Sou Vai Keng und Martin Zeller begegnen sich nicht nur Mann und Frau oder traditionelle und moderne Technik, sondern es sind auch Ideen der östlichen und der westlichen Kultur miteinander verbunden, sie bilden komplexe Geflechte, die dem Betrachter intensive Augen-Erlebnisse ermöglichen - im Sinne Munchs, der sagte, er wolle den Grund für eine Kunst legen, die "wir mit unserem Herzblut geschaffen haben, eine Kunst, die den Menschen gefangen nimmt und ergreift".
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