Im Studio der Kunsthalle Mannheim stellt gerade die ägyptische Künstlerin Rana Elnemr aus. Der Eingang zu dem kleinen Ausstellungsraum im Foyer der Kunsthalle, der übrigens wie das ganze Foyer kostenfrei zu betreten ist, ist aber zunächst versperrt und durch einen farbigen Vorhang abgetrennt. Es wird kein Blick ins Innere möglich. Gefesselt schaut die Betrachterin auf ein – wie es scheint – buntes Gebilde, das mehrere Themen der Kunst im eigentlichen Ausstellungsraum anstößt.
So ist der Vorhang aus Kunststoff gefertigt, wie er im Wasser schwimmt, den die Künstlerin aufsammeln und bearbeiten lässt. Im Nil, der auch die hauptsächliche Wasserversorgungsquelle des Landes ist, fällt unglaublich viel Müll an, von dem kaum etwas systematisch entsorgt wird. Nach dem Eintreten in den kleinen Raum wird man überwältigt durch die gleichzeitige Fülle und Leere, durch die Farbenpracht und den zugleich intellektuellen und dennoch verständlichen Inhalt. Denn die Rückseite des feinen Plastikvorhangs zeigt die Mondsichel im blauen Himmel und daneben ein Video in Rot, angeregt durch Rupprecht Geiger (1908-2009), den großen Rotforscher, in dessen Archiv die Künstlerin sich eine Zeit lang forschend aufhielt.
Horizontale und Vertikale kreuzen sich
Ganz wunderbar spiegeln sich beide Farbflächen in amorphen Spiegelscherben an der Wand, die auch die weitere Umgebung mit einschließen. Die 1974 in Hannover geborene Künstlerin, die aber bald mit ihrer Familie nach Kairo zog, berichtet von ihrer Faszination für Schächte, für die vertikalen Versorgungsleitungen der Häuser, die auf instinktive Weise mit den Horizontalen auch hier im Raum korrespondieren. So wurde der kleine Ausstellungsort gleichermaßen zum Symbol für ihre Arbeitsweise.
Als Kind in Ägypten verbrachte sie viel Zeit in der Bibliothek des Goethe-Instituts, die ihr fast eine zweite Heimat wurde. Auf jeden Fall las sie alles über Goethe, vor allem seine Farbenlehre, was sich auch künstlerisch im Ausstellungsraum widerspiegelt. Eher kurios beginnend mit Goethes Nase, die fast alle Deutschen kennen. Wer hat sich nicht mit dem großen Dichter in der Schule beschäftigt? Die Nase spricht erneut den vertikalen Zug an: die Verbindung durch den Atem von Himmel und Erde, aber auch zum Göttlichen, denn in allen Meditationsformen ist der Atem das entscheidende Verbindungsglied auch zwischen Innen und Außen.
Doch zurück zum Video, das übrigens „Fisch“ heißt und die Farbenlehre Goethes kongenial mit Rupprecht Geigers Arbeiten um die Farbe Rot verbindet. Denn im Menschen selbst ist viel Rot: in unseren Adern fließt rotes Blut, bei jeder Geburt entsteht ein Blutbad, alle Verletzungen bluten. Aber Rana Elnemrs Arbeiten, die sie schon überall auf der Welt ausgestellt hat, tragen auch Goethes wissenschaftlichen Ansatz, seine Neugier und den Wissensdurst über Tiere und Pflanzen.
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