Mannheim. Zwei Jahre sind vergangen, seit Justin Zitts erstes Mini-Album „Deconstructed Framework“ erschienen ist. Was, wenn man heute gerade mal 20 Jahre alt ist, durchaus eine nennenswerte Zeitspanne. Aber bereits dieses Frühwerk lässt aufhorchen: Auf den vier darauf versammelten Stücken des Justin Zitt Trio - in dem neben dem neben ihm selbst Schlagzeuger Fynn Günkel und Yannik Brenner am Bass zu hören sind - zeigt sich der junge Pianist so technisch avanciert wie ausdrucksstark.
Man fühlt sich da etwa an den geschmeidig fließenden Groove von Herbie Hancock erinnert, während er sich ebenso feinnervig mit Chopin ins Benehmen setzt. Die Platte entstand noch bevor Zitt zum Herbstsemester 2020 sein Jazz-Klavierstudium an der Mannheimer Musikhochschule begann, inzwischen ist er im fünften Semester.
Wettberwerb über drei Tage
Von seinem Talent konnte er unlängst eine Expertenjury und das Publikum gleichermaßen überzeugen: Im September hat Justin Zitt beim 8. Internationalen Jazzhaus-Piano-Wettbewerb, der im Zuge des Freiburger Jazzfestivals ausgerichtet wurde, den ersten Preis gewonnen.
Der ging über drei Runden und drei Tage, Zitt kam unter die drei Finalisten, nach einem Standard und einer Eigenkomposition galt es schießlich, ein für einen wichtiges Lied aus der Kindheit zu interpretierten. Er wählte: „Der Mond ist aufgegangen“. Und gewann.
Man merkt, wenn man mit ihm über den Wettbewerbserfolg spricht, dass ihm das Kooperative in der Musik näher zu sein scheint als das Kompetitive: „Man will sich freuen, aber irgendwie will man auch, dass alle dabeibleiben“, sagt er und hebt die Fertigkeiten der anderen Teilnehmer hervor - sehr sympathisch!
Mit fünf Jahren an den Tasten
Geboren wurde Justin Zitt 2002 in Pforzheim, wuchs später im unweit gelegenen Ort Remchingen-Wilferdingen auf, wo er auch sein Abitur absolvierte. Sein Vater ist Pfarrer, und wahrscheinlich habe die Kirchenmusik auch seinen Werdegang beeinflusst, meint er rückblickend. Dem Vorbild seines Bruder folgend, fing er an, Klavier zu spielen, fünf war er damals; mit zehn hatte er Unterricht bei Klavierlehrer Christoph Gärtner, der in Pforzheim auch einen Gospelchor leitete. Der förderte ihn, und mit etwa 13 Jahren begleitete Zitt zum ersten Mal ein von Gärtner dirigiertes Gospelkonzert am Piano.
Justin Zitt
- Justin Zitt wurde 2002 in Pforzheim geboren.
- Seit Herbst 2020 studiert er Jazzklavier an der Mannheimer Musikhochschule.
- Im September gewann er den 8. Internationalen Jazzhaus-Piano-Wettbewerb im Rahmen des Jazzfestivals in Freiburg.
- Teilnehmen daran konnten Jazzpianistinnen und -pianisten aller Nationalitäten, die nach dem 30. September 1992 geboren wurden. Die Anforderungen in den drei Runden sahen vor: Jazzstandards aus einer vorgegebenen Liste, Eigenkompositionen, Trio-Spiel, Interpretation eines vorgegebenen „Festivalthemas“ sowie die freie Improvisation über ein außermusikalisches Thema.
- Der erste Platz war mit 3000 Euro, der zweite mit 1500 Euro, der dritte Platz mit 500 Euro dotiert. Eine Besonderheit des Wettbewerbs ist das 40-prozentige Stimmrecht des Publikums in der Endrunde.
- Bei Instagram firmiert Justin Zitt unter jazztinzitt.
Zur Übung wurde viel Jazz gespielt, „weil es so eine interessante Musik war und es so viel zu entdecken gibt“, erinnert er sich. Etwa zwei Jahre darauf kam Zitt in das baden-württembergische „Jazz Juniors“-Förderprogramm. Mit 17 startete er ein Jazzvorstudium an Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HMDK) bei Professor Hubert Nuss. Dann bewarb sich erfolgreich bei der Mannheimer Musikhochschule.
Zitt spielt im Konstantin Kölmel Trio, sein eigenes Dreier-Gespann heißt Frigo, das er mit den Mannheimer Studenten Julian Grüneberg (Bass) und Julius Steyer (Drums) gründete; gespielt werden vor allem eigene Stücke, erzählt Zitt, die zwischen zeitgenössischem und Avantgarde-Jazz changieren. Im Duo mit Bassist Grüneberg hat er überdies ein Album aufgenommen, das im kommenden Januar erscheinen wird. Daneben spielt der Pianist als Sideman für andere Formationen, und nicht zuletzt ist er Mitglied im aktuellen Gutenberg Jazz Collective des Jazz Campus Mainz - mit dem er gerade drei Konzerte in Londoner Clubs gab.
Wichtige Einflüsse seien für ihn einerseits „tolle Lehrer“, wie Gärtner, Nuss oder Rainer Böhm und Lorenz Kellhuber. Ebenso „die Klassiker, die als Dozenten zum Gutenberg Jazz Collective kommen“, darunter Kris Davis, Billy Hart und Ben Street, mit denen er schon Konzerte spielte. Und natürlich die Jazz-Ikonen Keith Jarrett, Herbie Hancock oder John Coltrane.
Wie Tyner, Taylor oder Held
„Schon sehr wichtig für mich und auch die Musik, die ich selbst schreibe, sind einige deutsche Künstler“, fügt Zitt hinzu - wie Christian Dillinger, Achim Kaufmann, Robert Landfermann oder Elias Stemeseder. Er finde die deutsche Jazzszene „super interessant“, gerade, weil diese teilweise auch stark von der Neuen Musik beeinflusst sei.
Und wie will er selbst klingen? „Jetzt würde ich schon gern erstmal alles erkunden“, meint Zitt. Um sich - er wisse nicht, ob man irgendwann an diesen Punkt sei - „so richtig flexibel“ am Instrument zu fühlen und mithin im Bewusstsein zu musizieren „ich könnte so spielen wie McCoy Tyner, und ich könnte so spielen Cecil Taylor und wie Pablo Held“, führt er mit Blick auf die Jazzpiano-Virtuosen weiter aus. „Und im Moment kann man sich dann entscheiden, was man für eine Musik machen will.“
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