Das Porträt - Der Heidelberger Fotograf Ruediger Glatz hat für seine Bilder nicht nur Menschen im Fokus

Aufnahmen eines Getriebenen

Von 
Anna Suckow
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Er hat seit Jahren Street-Art-Künstler und auch die Modewelt im Fokus: der Heidelberger Fotograf Ruediger Glatz.

© Glatz/ZG

Zwei Menschen rennen durch den Nebel in der Nacht. Scheinwerferlicht lässt schemenhaft die Gleise erkennen, über die sie flüchten. Man meint, die Kälte zu spüren, das Adrenalin und den knirschenden Kies.

Das Foto stammt von Ruediger Glatz, dessen silberne Limousine nun durch den Mannheimer Verkehr schießt, während er von sich und dieser Aufnahme erzählt. Er kommt gerade aus London, gleich geht es weiter nach Frankfurt. "Sprühen war Energie für alles", erinnert sich der Heidelberger Fotograf, der früher selbst aktiv in der Street-Art-Szene war. "Doch mit der Fotografie kann ich meine künstlerischen Bedürfnisse besser befriedigen als mit Graffiti." Also beschloss er, weiterhin mit seinen Kollegen durch die Nächte zu ziehen - allerdings nicht mehr mit einer Farbdose in der Hand, sondern mit der Kamera.

Während Glatz den Wagen sicher durch die Straßen lenkt, beschreibt er Projekte, die er gerade realisiert. Es sind fünf Serien, die ihm am Herzen liegen und die er zum Teil schon seit über zehn Jahren immer wieder im Fokus hat. Dafür reist der 36-Jährige umher, unterhält sich mit Sprühern, Modeschöpfern, Künstlern, ist für ein paar Tage ein Teil ihrer Welt. So zeigt er mit beobachtendem und dokumentierendem Blick eben auch jene Sprayer, wie sie durch die Nacht hetzen, in dunklen Kapuzenpullis ihre Namen und Bilder unter Zeitdruck an Brücken und Züge malen.

Ruediger Glatz wurde 1975 in Heidelberg geboren und lebt auch ...

Ruediger Glatz wurde 1975 in Heidelberg geboren und lebt auch heute dort. Ausstellungen führten ihn u. a. nach Hamburg, London, New York, Athen, Basel oder Zürich.

Bisher sind zwei Einzelpublikationen, neben Beiträgen in Graffiti-Magazinen, erschienen: "Montana Writer Team - Graffiti at its best" (Publikat Verlag, 160 Seiten, 27,90 Euro) und "backflashes - graffiti tales" (240 Seiten, 34,90 Euro). afs

Oft hält er Szenen fest, zu denen nicht jeder sonst Zugang hat. In einem neuen Projekt blickt er auf die Welt der Mode, auch hinter die Kulissen. Als Künstler würde er sich aber nicht bezeichnen, "ich mache keine Kunst, sondern Bilder", sagt Glatz. Dabei erscheint er als ein von der Leidenschaft zur Fotografie Getriebener, der dem Betrachter immer wieder neue, ungewöhnliche Aspekte zu zeigen versucht. In seiner Serie "very good dogs" hat er unter anderem einen Rottweiler porträtiert. Auf Augenhöhe blickt das Tier den Betrachter mit klarem Blick an, man sieht die Persönlichkeit, die in jedem Hund steckt, fernab von dem Kitsch eines Rasseliebhabers.

Gesichter der Street-Art

Für eine Ausstellung mit dem Künstler Stefan Strumbel hat er Prostituierte aus Hamburg mit der Kamera begleitet - entstanden sind Momentaufnahmen ihres Lebens ohne Klischees und Vorurteile. Die Serie "backflashes", für die er seit mehr als zehn Jahren Graffiti-Künstler begleitet, wird bald mit einem Buch, "Face Of Graffiti", zu Ende gebracht. 100 Bilder zeigen Mitglieder der Street-Art-Szene und ihre Werke. Für die von Andy Warhol gegründete Zeitschrift "Interview" hat er bereits eine Modestrecke fotografiert. Dabei hat Glatz ein außergewöhnliches Privileg: Zeit. Durch die Gründung der Firma "Montana", die Farbdosen produziert, war er zu Geld gelangt - und damit zu einem großen Stück Freiheit. Freiheit, die er heute für seine freie, künstlerische Arbeit nutzt. "Ich habe den Luxus, an Porträts lange arbeiten zu können, ohne dass direkt das Geld fließen muss", sagt er über seine Bilder, denen man den geduldigen Blick ansieht.

Seine Anteile an der Firma für Graffiti- und Künstlerbedarf hat er inzwischen verkauft, dennoch ist er Geschäftsmann geblieben: Glatz gründete eine Fotoagentur. Und es ist die Lebendigkeit und Authentizität, verbunden mit technisch einwandfreien Bildern, die den Reiz seiner Arbeiten ausmachen. Wenn man seinen Stil beschreiben will, dann müsste man das Wort "Übersättigung" nutzen. Die Farbe in seinen Bildern wirkt so, auch die Aufnahmen in Schwarz-Weiß. Seine Fotos scheinen analog entstanden zu sein, aber er hat sie mit Digitalkameras gemacht und später am Computer bearbeitet. "Damit steigere ich die Emotionalität der Bilder", sagt Glatz.

Was er sich für seine Zukunft wünscht? "Das gedruckte Bild soll überleben", sein künstlerisches Werk fortbestehen. Ein schöner Wunsch für eine rastlose Person.

Redaktion

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