Chanson - Melancholie tanzt mit Liebe

Annett Louisan verzaubert mit „Kleine große Liebe“ in Mannheim

Von 
Tanja Capuana
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Lässt weiterhin Deutschpop kunstvoll wie französische Chansons schimmern: Annett Louisan. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Den unschuldigen Augenaufschlag beherrscht Annett Louisan noch immer perfekt. Wenn sie vor den rund 1100 Zuschauern im Musensaal des Rosengartens auftritt, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Mit rotem Schmollmund und blonder schulterlanger Mähne wirkt die 45-Jährige keinen Tag älter, als zu Zeiten, in denen sie mit „Das Spiel“ die Herzen ihrer Fans im Sturm eroberte. Die Lolita mit der Samtstimme und den großen Augen nimmt man Louisan immer noch ab. Und doch scheint sie mit den Jahren erwachsener geworden zu sein - was ihr gut steht. Im Rahmen von „Die Tournee - Live 2022“ sorgte Louisan nun mit ihrer Band und einem Mix aus früheren Hits und neuem Material im Rosengarten mehr als zwei Stunden lang für ausgelassene Stimmung.

Das Publikum spürt: Die zierliche Sängerin im schwarzen Kleid und Glitzerpumps hat wirklich Lust auf ihr Konzert. Bereits bei der Eröffnung mit dem entspannten Stück „Kleine große Liebe“ ist das Eis schnell gebrochen. Die Künstlerin lädt ein auf eine musikalische Reise voller Herzschmerz, Pathos aber auch Zuversicht und Liebesglück.

Zwischen Chanson, Pop, Dance und Tango

Päge, wie Louisan mit bürgerlichem Namen heißt, hat viel zu sagen. Die Chanteuse beherrscht die Kunst, tiefsinnige Texte und eingängige Melodien gepaart mit ihrer voluminösen Stimme, als Ohrwürmer zu verpacken. Stundenlang zuhören möchte man ihr, wenn sie von amourösen Abenteuern, unerfüllten Beziehungen, Selbstzweifeln und zu viel Alkohol singt.

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Von
Jörg-Peter Klotz
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Mal klingt sie süß und unbedarft, dann wieder powervoll und selbstbewusst. Stilistisch bewegt sie sich zwischen Chanson, Pop, Dance, und scheut sich nicht, eine Portion Country oder Tango einzuflechten.

In dem melancholischen Lied „Wir sind verwandt“ schildert sie den ganz alltäglichen Wahnsinn des Familienlebens. Zum Nachdenken regt sie mit der schönen Ballade „Zweites erstes Mal“ an. Sie sinniert darüber, dass sie manche denkwürdigen Momente gern noch einmal als Premiere erleben würde. „Das Lied ist entstanden, bevor meine Tochter auf die Welt kam“, verrät sie und lächelt. Inzwischen habe sie Antworten auf manche Fragen bekommen, welche das Lied aufgeworfen habe.

Wenn sie die Worte „L’amour, du hast mich kaputtgemacht“ voller Schmerz ins Mikrofon haucht, weckt sie Erinnerungen an die Tradition der französischen Chansons. Melancholisch, aber voller Hoffnung wirkt „Ende Dezember“. Darin rät Louisan, die Lebenszeit sinnvoll zu nutzen, da die Tage gezählt sind. Die Ballade „Die schönsten Wege sind aus Holz“ dagegen gibt viel Mut, dank der Aussage, dass auch falsche Entscheidungen ihre Berechtigung haben.

Louisan sucht Nähe zu den Menschen

Louisan hat Verstärkung mitgebracht. Nicht nur ihre beste Freundin sitzt im Publikum; der Liedermacher Tristan Brusch trägt als Gaststar ebenfalls eine Handvoll sozialkritischer Songs mit und ohne Louisan vor, bei denen er sich auf der Gitarre begleitet.

Die Wahl-Hamburgerin hat aber auch eine andere, frechen Seite. Sie flirtet mit „Das Spiel“ und in dem heiteren „Eve“ beschreibt sie eine nervige Frau, deren Leben im Vergleich mit ihrem perfekt erscheint. „Ich hasse sie abgrundtief“, verkündet sie inbrünstig und man möchte ihr erzählen, dass wohl so ziemlich jeder eine Eve kennt.

In „Two Shades of Torsten“ nimmt sie Beziehungen aufs Korn, bei denen das lodernde Feuer der Leidenschaft längst erloschen ist. Es ist eine Fortsetzung ihres Hits „Torsten Schmidt“. „Ich habe mich gefragt, wo er jetzt 20 Jahre später ist“, sagt sie, sehr zur Freude ihrer Zuschauerinnen und Zuschauer.

Selbstironisch zieht die 1,52 Meter große Sängerin mit dem fröhlichen „Klein“ nicht nur ihre Körpergröße durch den Kakao, sondern verlässt die Bühne, um dem Publikum ganz nahe zu sein. Überhaupt sucht sie die Nähe zu den Menschen, die stets tosenden Beifall spenden. Zum Schluss lädt sie das Publikum dazu ein, vor der Bühne zu tanzen, den Saal schließlich in eine Disco zu verwandeln. Nach vier Zugaben, darunter das mitreißende „Verschwinde“. Gerührt verabschiedet sie sich mit den Worten. „Passt auf euch auf und liebt, was das Zeug hält.“

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

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