Manfred-Fuchs-Preis (mit Fotostrecke)

André Wischnewski macht Kunst aus Stahl

Von 
Helga Köbler-Stählin
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André Wischnewski im Skulpturenpark Heidelberg mit seiner preisgekrönten Skulptur „ Whatever you say“ (Egal, was du sagst). © Manfred Rinderspacher

Mannheim.

Dieser Sommer-Sonntag wird André Wischnewski im Gedächtnis bleiben. Im Skulpturenpark Heidelberg wartet man gespannt auf die Preisverleihung. Zum zweiten Mal hat der Vorsitzende des Skulpturenparks Heidelberg e.V. den alle drei Jahre ausgelobten Manfred Fuchs-Preis zu vergeben. Förderer ist der Ehrenbürger der Stadt Mannheim selbst. Er hat den Wettbewerb „Junge Kunst-Junge Künstler“ nicht nur ins Leben gerufen, sondern auch mit 10 000 Euro dotiert. Doch in diesem Jahr kann sich die berufene Jury nicht entscheiden und am Ende gibt es zwei erste Preisträger.

Einer davon ist André Wischnewski. Er hat lange in Mannheim gelebt, an der Freien Kunstakademie studiert, und seine Arbeiten sind seit damals in der Region zu sehen. Doch darüber spricht er wenig. Denn momentan überwiegt seine große Freude, für die es gleich zwei Gründe gibt: Nach seiner Zeit in Mannheim hat sich der Künstler für eine weitere Ausbildung entschieden, er studierte Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und hat seit wenigen Tagen sein Diplom in der Tasche. Und kurz vor Studien-Ende kam nun dieser Preis.

Geboren ist André Wischnewski 1983 in Mecklenburg-Vorpommern. In einem kleinen Ort, den keiner kenne, sagt er beim Gespräch mit dieser Zeitung im Café. Die Familie zieht dann nach Jena und noch vor Mauerfall ins pfälzische Haßloch. Dort sei er aufgewachsen, habe der Mutter beim Aquarellieren über die Schulter geschaut und die familiären Kulturreisen genossen. „Kunst und Geschichte haben mich schon immer fasziniert“, erzählt er in dialektfreiem Hochdeutsch.

Schon als Schüler setzt er beides malerisch um, liest Comics, übt räumliches Zeichnen und der Kontakt zur Graffiti-Szene wird sein Sprungbrett fürs Dreidimensionale. Er spielt mit Buchstaben, deren Volumen, und er entdeckt den Reiz, sich mehr und mehr von der Fläche zu entfernen. Schritt für Schritt erobert der junge Künstler die Architektur des Raums und findet den Weg zur Form.

Den Buchstaben, der Sprache, ist André Wischnewski bis heute treu. Ihre vielseitige Darstellung, aber auch die Ironie der Lautmalerei fasziniert ihn. Man sieht es an einem Lächeln, das sich um seine Mundwinkel ausbreitet, wenn er von dem akustischen Phänomen der „Onomatopoesie“, der sprachlichen Nachahmung von Geräuschen spricht. „Ritsche-ratsche“ nennt er als Beispiel, das jeder aus „Max und Moritz“ kenne.

Wie damals Wilhelm Busch, so macht Wischnewski ebenfalls Laute sichtbar. Aber auf seine Weise. Für die aktuelle Ausstellung im Botanischen Garten Karlsruhe ist der sympathisch bodenständige Preisträger auf innere Forschungsreise gegangen, wie sie all seinen Arbeiten voraus geht. Was, fragt er beispielsweise, ist in einer Orangerie zu hören? Jetzt im Sommer, wo all die exotischen Pflanzen im Freien stehen? Stille! Diese Stille, genau genommen die momentane Abwesenheit von Klängen, Stimmen und Tönen, legt er Besuchern nun als Skulptur zu Füßen. Raffinierterweise durch geschlossene Innenräume von Buchstaben wie dem B, den Punzen, in das nichts eindringen kann. Diese Punzen, die sich als Lautketten in Plexiglas auf dem Boden ausgebreitet haben, sind zugegebenermaßen nicht leicht zu entziffern. Sie sind „Transkriptionen potentieller Geräusche“. So beschreibt Carolin Meister, Professorin an der Karlsruher Akademie diese kluge Arbeit.

Doch zurück zum Skulpturenpark. Auch in dem ausgelobten Kunstwerk geht es einerseits um Architektur und Raum, andererseits wieder um Abwesenheit von Sprache. Mit „whatever you say“ (Egal, was du sagst) hat der Künstler dies äußerst findig zum Ausdruck gebracht. Auch hier ist die Stille spürbar, obwohl ganz in ihrer Nähe ein Zug rauscht oder Vögel am Himmel kreischen.

All das wird schnell zur Nebensache. Weil Andrè Wischnewskis weiß lackierte Stahlkonstruktion unsere Fantasie in Gang zu setzen vermag, weil wir die anmutige Bewegung kennen, wenn ein Blatt vom Baum fällt. Und hier scheint gerade eine um das Zwanzigfache monumentalisierte Comicheftseite vor unseren Füßen zu landen. Und das mit einer wundersam vergnüglichen Leichtigkeit, deren Zeuge wir just in diesem (fiktiven) Moment sind. André Wischnewski hat die Sprechblasen ausgelassen, was zur Folge hat, dass die Öffnungen wie Fenster wirken, „hinter die man treten und hinausschauen kann“, sagt er und macht es vor. Man darf sich tatsächlich den Raum zu Eigen machen, mit seiner eigenen Botschaft beleben oder ihn mit anderen zu neuen Bildergeschichten füllen. Fabelhaft.

Mehrfach prämierter Künstler

  • André Wischnewski, 1983 geboren, wuchs in Haßloch auf, wo er den Beruf des Bauzeichners erlernte. Von 2004 bis 2008 studierte er an der Freien Kunstakademie in Mannheim.
  • Nach fünf Jahren als Freier Künstler absolvierte er ein weiteres Studium an der Staatlichen Akademie in Karlsruhe mit Schwerpunkt Skulptur. Im Herbst 2018 wird der diplomierte Künstler Meisterschüler bei seinem Professor Harald Klingelhöller.
  • Wischnewski war 2016 Preisträger der Jahresausstellung seiner Hochschule und erhielt 2017 ein Stipendium der Heinrich-Merz-Gesellschaft. Gerade wurde er mit dem Manfred-Fuchs-Preis ausgezeichnet, der nach dem Mannheimer Unternehmer und Maler Manfred Fuchs benannt ist.
  • Die prämierte Arbeit ist bis 8. Oktober im Skulpturenpark Heidelberg zu sehen. Sie und alle Kunstwerke der Schau „Junge Kunst – Junge Künstler“ sind käuflich zu erwerben. Katalog: 10 Euro. Infos im Netz unter: www.andrewischnewski.de und www.skulpturenpark-heidelberg.de 

Freie Autorin Studium: Journalismus, Medien- und Pressearbeit-PR

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