Mannheim. Der Band Kurzgeschichten mit dem Titel „Chicago-Pizza - Geschichten aus Amerika“ des in Bad Godesberg lebenden Autors Jan Turovski ist seine zwanzigste Veröffentlichung in der Mannheimer Edition Andiamo. Obwohl der Schwerpunkt seines langjährigen literarischen Schaffens auf Romanen liegt, beherrscht er meisterhaft auch das Genre der Short Story. Das Buch bietet einen willkommenen Lektüre-Wechsel, der Echoräume von Turovskis mehrmaligem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten öffnet. Der Autor selbst gestand, dass es eines seiner wichtigsten Bücher ist, an dem er über einen Zeitraum von 20 Jahren gearbeitet habe.
Jan Turovkis Geschichten drehen sich um Liebe
Der Stoff dieser Geschichten sind weniger das Nacherzählen eigener Erlebnisse in diesem Land, obwohl autobiografische Züge unverkennbar sind - einerseits durch die Fußnoten, in denen der Schriftsteller konkrete Begriffe oder Orte erläutert, andererseits durch hinzugefügte Fotos, die den Autor als jungen Mann vor Chicagos Sehenswürdigkeiten zeigen. Amerika mit den „abweisenden Häusern und seelenlosen Randzonen“ stellt nur die Kulisse dar, vor der Turovski seine Geschichten aufbaut. Sein Blick verharrt auf dem inneren Zustand seiner Protagonisten im Jahresverlauf - Frühling, Sommer, Herbst und Winter -, ihre Ängste, Einsamkeit und Verlassenheit.
Raffiniert gestaffelte Auseinandersetzung mit dem Phänomen Ehe
„Das Netzwerk Manhattans ließ auf der Haut der Seele erhaben abgeschnürte Felder entstehen, die ganzen Straßenzügen glichen“, heißt es in der ersten Erzählung „Einladung zur Reise“ im Kapitel „Frühling“, wo dem Autor eine raffiniert gestaffelte Auseinandersetzung mit dem Phänomen Ehe gelingt. In weiblicher oder männlicher Ich-Form schildern die meisten der 41 im Band versammelten Stories das komplexe Geflecht menschlicher Beziehungen. Sie lesen sich wie Variationen über das zeitlose Thema Liebe.
„Liebe ist nur die Sehnsucht nach Liebe, da kommen wir nie an“, belehrt der im Kleinstadtmilieu recht solid angesiedelte Psychiater Dr. Max Curson seine Patientin Fay Dawson in „Stop-Over“. Der Satz könnte als Motto über dem Band stehen, obgleich es nicht die ganze Fülle der erstaunlichen Sammlung reflektiert.
Besonderes Augenmerk liegt auf der Sprache
In Dialogen, Reflexionen, eingeschobenen Rückblenden schält Turovski nach und nach das diffizile Verhältnis zwischen Ehepartnern, Kindern und Eltern, zwischen verlassenen und wiedergefundenen Geliebten heraus, entlarvt ihr Miteinander als ein von immer neuen Verletzungen geprägtes Zusammensein. Es ist ein ständiges Suchen, das sich in die seelische Leerstelle einfrisst, um diese auszufüllen.
„Das Leben stopfen wir voll mit unzähligen Beilagen, backen daran herum und meist schmeckt es nicht“, ist das Fazit des Protagonisten Les aus der Titelgeschichte „Chicago-Pizza“. Einen wachsamen Blick wirft Turovski auf die Sprache, die bei ihm aber mehr ist als Sprache, „sie hat Gesten, Blicke, dringt ein in andere Körper. Mit ihrer Seele, ihrem Geist, ihrer Zärtlichkeit“, wie er schreibt, in komprimierter Form trägt sie das Geschehen, lässt vieles skizzenhaft offen. Der Leser wird sich in so manchem wiedererkennen und die eindrückliche thematische wie formale Vielfalt des Ausdrucks bestaunen.
Das Buch
- Jan Turovski wurde 1939 in Bielefeld geboren.
- Seit seinem Erstlingsroman "Die Sonntage des Herrn Kopanski" von 1988 veröffentlichte er zahlreiche Romane, Gedichte und Kurzgeschichten.
- Er lebt in Bonn.
- Jan Turovski: „Chicago-Pizza - Geschichten aus Amerika“. Edition Andiamo. 320 Seiten, 15,90 Euro her
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