Mannheim. Die Pop-Legende Alphaville feiert ihr 40. Jubiläum auf ihrer „The Symphonic Tour“, die die Band am 5. Dezember mit großem Orchester in den Mannheimer Rosengarten führt. Wir sprachen mit Sänger Marian Gold über Klassik, Röhrenradios und musikalische Liebesbriefe.
Marian Gold, „Big in Japan“, „Sounds Like A Melody“, „Forever Young“: Entfesselten Sie da unversehens musikalische Geister, deren Größe nicht abschätzbar war? Oder merkten Sie schon beim Komponieren, dass Sie hier Pop-Geschichte schreiben?
Marian Gold: Nein, wenn wir das gemerkt hätten, dann hätten’s wir wahrscheinlich verbockt (lacht). Das hätte einen dann doch sehr, sehr nervös gemacht. Die Tragweite der Tatsache, dass wir gerade eine Band gegründet haben, die nach über 40 Jahren immer noch existieren würde, das war außerhalb unserer Vorstellungskraft.
Von Forever Young zu Alphaville: Die Anfänge einer Pop-Legende
- 1982 gründeten Sänger Marian Gold (bürgerlich: Hartwig Schierbaum) und die beiden Keyboarder Bernhard Lloyd und Frank Mertens das Trio Forever Young. 1983 benannten die Drei ihre Synthie-Pop-Band nach dem gleichnamigen Film von Jean-Luc Godard in Alphaville um.
- Ein Jahr später erschien das Debütalbum „Forever Young“, auf dem sich auch die Hit-Singles „Big in Japan“, „Sounds Like A Melody“ und „Forever Young“ befanden. In Deutschland erreichte das Album Platz drei der Charts.
- Zwischen 1986 und 2017 folgten sechs weitere Studioalben. Für das 2022 erschienene Album „Eternally Yours“ nahm die Gruppe die größten Hits aus 40 Jahren Alphaville-Geschichte in neuen Arrangements mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg neu auf.
- Derzeit ist die Band, in der Sänger Marian Gold das letzte verbliebene Gründungsmitglied ist, in Orchesterbegleitung auf der Jubiläumskonzertreise „Alphaville - 40th Anniversary - The Symphonic Tour“ unterwegs. Das Mannheimer Gastspiel dazu fand am 5. Dezember, 20 Uhr, im Mozartsaal des Rosengarten statt.
- Weitere Infos: www.demi.de/konzerte.
Wie war es am Alphaville-Anfang?
Gold: Wir sind als obsessive Fans von Musik ja mehr oder weniger in diese Möglichkeit des Komponierens rein gestolpert. Aufgrund der technologischen Entwicklungen damals anfangs der 80er Jahre war es dann auf einmal möglich, auch für totale Dilettanten wie uns, Musik zu komponieren. Wir hatten all diese Melodien und all diese Geschichten im Kopf. Und auf einmal bestand eben die Möglichkeit, das mithilfe von Rhythmusmaschinen, Sequenzern und Synthesizern zu realisieren.
Hatten Sie auch frühe Klassik-Kontakte? Man hat ja das Gefühl, dass einigen Alphaville-Songs schon immer eine orchestrale Seele innewohnte ...
Gold: Eine klassische Ausbildung hat keiner von uns. Ich kann da nur über mich sprechen: Bei uns im Haus damals in Herford stand in der Wohnstube eine riesige alte Musiktruhe - unten standen Schellackplatten und oben drauf ein altes Röhrenradio, ein riesiges Ding mit einem grünen, faszinierenden Auge. Ich habe als kleiner Junge eigentlich immer davor gesessen und diesen Knopf gedreht und bin praktisch mit diesem Radio durch den Äther gewandert. Und ja, ich habe sehr viel Klassik, schon als Fünfjähriger, Sechsjähriger, gehört. Ich habe diese Geschichte schon öfter erzählt: Meine Mutter hat mir dann irgendwann verboten, Radio zu hören, weil sie mich öfter weinend davor sitzend gefunden hat - weil ich so ergriffen war, von dieser klassischen Musik, von Beethoven, Mozart, Wagner. Wenn Kindern in anderen Häusern zu dieser Zeit verboten wurde, Rock ‘n’ Roll zu hören, so war mir verboten, klassische Musik zu hören, weil meine Mutter sich um meine seelische Gesundheit Sorgen machte (lacht). Und natürlich hat das auch in der Art und Weise, wie wir Melodien schreiben, Niederschlag gefunden.
Wann kam die Idee auf, Alphaville-Stücke für das Album „Eternally Yours“, das Sie auf der aktuellen Tour in sinfonischem Rahmen auch live präsentieren, mit einem Orchester neu zu instrumentieren?
Gold: Das schwebte lange Zeit wie ein Ufo über unseren Köpfen. 1981, als wir in Münster das Nelson-Künstlerkollektiv gegründet hatten - wir waren eigentlich so eine Hippie-Kommune - und alle in die Sommerferien entschwunden waren, habe ich in dieser Verlassenheit ein Stück komponiert, „Lassie Come Home“. Als ich es danach Bernd (Red. Nelson- und Alphaville-Mitgründer Bernhard Lloyd) vorspielte, nur auf dem alten, verstaubten Klavier, das der Vermieter bei uns in der Bude zurückgelassen hatte, meinte er: „Das müssen wir mal irgendwann mit einem richtigen Orchester machen!“ Und dann sind 40 Jahre vergangen (lacht). Es hat sich dann eben die Möglichkeit ergeben, mit dem Babelsberger Filmorchester zusammenzuarbeiten, was natürlich großartig war und sozusagen die goldene Gelegenheit und der Startschuss, um einmal zu sehen, was so ein Orchester mit unseren Stücken macht. Es ging ja nicht darum, dass wir die Stücke mit dem Orchester nachspielen wollten, das wäre langweilig. Sondern wir wollten die Möglichkeiten eines sinfonischen Orchesters nutzen, um zu sehen, wie das unsere Stücke verändert und was das aus ihnen noch rausholen kann. Das war ein ziemlich abenteuerlicher Trip und immer wieder überraschend, was da an Ergebnissen herausgekommen ist. Das Stück, das sich so gut wie überhaupt nicht verändert hat durch diese neue Prägung, war „Forever Young“, weil es wahrscheinlich von vornherein so nah an dieser Interpretation dran war.
Stichwort: „Forever Young“. Wie ist es, wenn - wie 2009 geschehen - ein Superstar wie Beyoncé einen Song von einem covert?
Gold: In erste Linie ist das ein Lottogewinn. Alphaville hat ja auch einige Stücke von anderen Künstlern gecovert. Für mich sind das immer Komplimente oder Liebesbriefe an den jeweiligen Künstler gewesen. Wenn man so ein Stück von jemand anders covert, wünscht man sich, dass der das hört und das vielleicht auch ein bisschen gut findet (lacht), weil man diesen Künstler eben bewundert oder dessen Werke verehrt.
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