Hockenheim. "Alles erreicht! Hockenheim! Unvergessen!" Sonntagmorgen gegen halb fünf postet Andreas Gabalier diese Worte mit vielen Herzaugen-Emojis und Ausrufezeichen auf seiner Facebook-Seite. Dazu hat er ein Foto gestellt, das ihn innehaltend vor einem Lichtermeer auf der gigantischen Bühne des Hockenheimrings zeigt. Zu diesem Zeitpunkt liegt das größte Konzert seiner bisherigen Laufbahn gut fünf Stunden hinter ihm. Der "ganz normale Steirer Bua", wie er sich selbst gern bezeichnet, feiert als "Mountain Man" einen Gipfelsieg in der Kurpfalz - und das mit 80 000 Fans.
Die rot-weiß-rote Party trägt zu recht den Namen "unlimited", grenzenlos: Im Terminator-T-Shirt (trefflich gewählt) taucht Gabalier um 20.15 Uhr aus einer Rauchwolke auf und presst mit seiner rauen kraftvollen Stimme "I sing a Liad für di" ins Mikro, der Song, der ihn in Deutschland 2011 berühmt gemacht hat. Der grandiose Backgroundchor schmettert ein grooviges Intro mit Gabalier-Hits dazu, ein rot-weiß-rotes Feuerwerk steigt empor und Luftschlangen in den österreichischen Nationalfarben regnen aufs Publikum.
Dann legt der kernige Steirer los: In der Krachledernen lässt er die Hüften lasziv kreisen, die Meute jubelt. "Hulapalu" - den Après-Ski-Hit und Bierzeltkracher kann jeder mitgrölen. Manche hören allerdings das gesamte Konzert über gar nicht mehr auf damit, was vermutlich einem entsprechenden Cocktail- und Bierkonsum geschuldet ist. Immer wieder wird ein "Oh, wie ist das schön" dazwischengeschoben, sowohl vom Sänger als auch vom Publikum. Partystimmung pur.
Neues Heimatgefühl
"Mir fehlt die Puste, wenn ich in die Weiten des Hockenheimrings schaue. Danke für die rappelvolle Hütte", ruft Gabalier den Massen zu, auch wenn das Konzert nicht ausverkauft ist. Er blickt gebannt und lächelnd ins Rund, wirkt dankbar, stolz. "Und was sehen meine Augen da am Bühnenrand? Der steht ja einen halben Meter unter Wasser. Sch ...!" Vor dem Konzert hatte es gegossen, daher verzögerte sich der Einlass um 30 Minuten.
Die meisten sind in Dirndln und Lederhosen gekommen, Kinder und Erwachsene jeden Alters. Gabalier bekommt die größte Trachtenparty bei einem Open Air in Deutschland, wie er es sich gewünscht hat. "Bei so vielen Dirndln und Lederhos'n fühl i mi wie dahoam", leitet er nach einem Medley mit Liedern seines ersten Albums "Da komm' ich her" zum gleichnamigen Song über.
Als er die Hymne auf seine Heimat schmettert, wird das "Steirerland" zur Heimat von Tausenden Deutschen: "Jo jo des Steiralond des is mei Heimatlond" singt das Auditorium voller Inbrunst mit. Gänsehaut. Und genau da wird spürbar, warum dieser 32-jährige Busche, der eigentlich nur Musik gemacht hat, wenn er mal keine Lust hatte, fürs Jurastudium zu lernen, innerhalb von sieben Jahren einen solchen raketenmäßigen Aufstieg erleben durfte: Er hat ein neues Lebensgefühl kreiert, das sich im deutschsprachigen Raum ausgebreitet hat, eines, das generationenübergreifend in Trachten zelebriert wird. Er hat mit seinem Volks-Rock-'n'-Roll eine heile Welt mit guter Laune und viel Gefühl geschaffen, eine Mischung aus Nostalgie und dem Heute. "Zwischn Austro-Pop und Rock 'n' Roll und da Vuiksmusik" (Textzeile aus "Volks-Rock-'n'-Roller") fühlen sich seine Fans wohl, weil sie abgelenkt werden vom Alltag, von Sorgen. Marke und Mann Gabalier funktionieren in einer Zeit, in der es in der Welt knistert.
Allen Unkenrufen zum Trotz: Gabalier erlaubt sich an dem Abend nur einen Ausrutscher - auf dem nassen Steg zur kleineren Bühne schlittert er, fängt sich und gleitet dann spitzbübisch grinsend nach vorn. Auf den riesigen LED-Leinwänden ist die Szene gut zu verfolgen wie auch das gesamte Konzert. Einzig mit der Akustik hadern Besucher später auf Facebook, obwohl diese etwa zentral im Innenraum fantastisch ist.
Zwangspause: "Ich muss Pipi"
Lacher erntet der Sänger nach gut einer Stunde: Die "Hopfenkaltschale", die er sich eingangs auf die Bühne bestellt hatte, fordert ihren Tribut: "Kann ich euch eine Minute und elf Sekunden allein lassen? Ich muss Pipi", fragt er und sprintet davon. Eine Überraschung hat er noch in petto. Via Facebook suchte Gabalier eine Duettpartnerin. Tamy alias Tamara Hausner aus Mühldorf am Inn ist's geworden. Nun sitzt die 25-jährige Kinderpflegerin neben Gabalier und haucht "In deine Arm zu liegn" ins Mirko. Begeisterungsstürme.
Es sind zweieinhalb Stunden vorüber, "Hulapalu" wird noch mal gespielt, weil's ein Stimmungsbringer ist, auch wenn die zu keinem Zeitpunkt einknickt. Zur Krönung schießt ein Höhenfeuerwerk in den Nachthimmel. Gabalier bleibt auf der kleinen Bühne liegen, guckt den Raketen nach, inhaliert den Jubel. "Wollt ihr nach Hause?", fragt er und schüttelt selbstredend den Kopf. Es wird still. Der Hockenheimring gleicht einem Lichtermeer bei "Engel" und der Ballade "Amoi segn ma uns wieder", die mitten ins Herz geht. Es ist 23.16 Uhr, als der Sänger über den 30-Meter-Steg schreitet und die brillante Band den pyrotechnischen Sternenregen begleitet. Der "Alpenrockinator" schaut, lächelt, winkt, genießt. Er wirkt zufrieden, auch ein bisschen müde. Andreas Gabalier hat alles erreicht. Hockenheim. Unvergessen.
Hintergrund
Die Setlist von Andreas Gabalier: Intro; Hulapalu I; We salute you; Sweet little Rehlein; Sie; Medley: That's life/Wo immer Du auch bist/Was für ein Tag; Dahoam; Steirerland; Bergbauernbuam; Fesche Madeln; Dirndl lieben; Meinung haben; Medley: 12 Ender Hirsch/Alles wieder gut/I sing a Liad für Di; Zuckerpuppen; Die Beichte; So liab hob i Di; Duett mit Tamy (Gewinnerin einer Facebook-Aktion von Gabalier): In Deine Arm zu liegn; Proud Mary; I sing a Liad für Di; Volks-Rock-'n'-Roller; Hulapalu II; Engel; Amoi segn ma uns wieder.
Die Hallen-Tour 2018 führt Andreas Gabalier am 6. Oktober in die SAP Arena. Karten gibt es im Kundenforum dieser Zeitung oder unter Telefon 0621/10 10 11. kaba
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