Pop - Patti Smith, die Ikone der New-Wave-Bewegung, gibt ein denkwürdiges Konzert beim Zeltival in Karlsruhe

Alle Macht den Menschen

Von 
Peter Bastian
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Jetzt war für einen Abend einmal Karlsruhe das Zentrum der musikalischen Welt. "An evening of music and words with Patti Smith plus Lenny Kaye and Tony Shanahan", so die Ankündigung, gab es nämlich nur in drei deutschen Städten zu sehen. Die "Godmother of Punk" war ein lange gehegter Wunsch des Tollhaus-Teams. Jetzt hatte es endlich geklappt, und das lange Warten hat sich gelohnt: Der akustische Abend beim Zeltival war gespickt mit einer Auswahl von feinstem Songwriting aus eigener und fremder Feder, dargeboten von drei Stimmen und Gitarren.

Die 64-jährige "Hohepriesterin der New-Wave-Bewegung" hat sich einen jugendlichen Charme bewahrt. Wenn sie mit beiden Händen in den Taschen der abgewetzten Jeans am Mikrofon steht und ob des Jubels beseelt lächelt, wird das hübsche junge Mädchen heraufbeschworen, das in den 70ern mit Robert Mapplethorpe in das berühmte New Yorker Chelsea Hotel zog. Lenny Kaye, einer ihrer beiden Gitarristen, ermöglichte ihr 1974 den Zugang zur Rockszene. Der Rest ist Geschichte.

An diesem Abend wird naturgemäß vieler Toter gedacht. "To Remember Jim" gilt natürlich dem vor 40 Jahren gestorbenen Jim Morrison. Und wenn auf einer Wolke Thomas Bernhard und Glenn Gould oder der Sohn von Wittgenstein auf Hesse trifft, so ist das ihre Art der deutschen Literatur, die sie laut eigenem Bekenntnis liebt, zu huldigen. Die Sängerin, Dichterin, Gitarristin und Komponistin scheut sich nicht, zuzugeben, dass sie es auch nach 40 Jahren nicht gelernt hat, eine Gitarre zu stimmen. Schließlich habe man in den 70ern im CBJB's, der Keimzelle des Punk in New York, ganze Abende damit verbracht, auf der Bühne seine Gitarre zu stimmen.

Patti Smith, der Kultstar der Punk-Kultur, deren Stimme nichts von ihrer brüchigen Aufmüpfigkeit verloren hat, huldigt mit "Ghost Dance" der Wiedergeburt und Neil Youngs "Helpless" dem Independance Day, der just am Konzertabend stattfindet.

Auch John Cale kommt noch

Ihr "People Have The Power" zeugt von ihrer politischen Haltung, die Musik dazu klingt ganz nach Velvet Underground, deren John Cale ihr erstes Album "Horses" produzierte - und der am 26. Juli ebenfalls noch beim Zeltival in Karlsruhe auftreten wird.

Ihr erfolgreichster Song, "Because The Night" von 1978, kommt in der Zugabe, davor aber ein noch schönerer Song: Lou Reeds "Perfect Day". Zum Schluss schleudert sie noch "Rock 'n' Roll Nigger", ihr Plädoyer für all jene, die außerhalb der Gesellschaft stehen, ins Publikum, das nach einem denkwürdigen Abend beseelt nach Hause geht.

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