Erinnerungen an Treffen mit  Joy Fleming

Abschied vom echten Bloomaul

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"De Joy" zu treffen, war nicht immer ein Vergnügen. Zumindest am Anfang des Gesprächs gab sich die extrovertierte Blues-, Rock- und Soul-Gigantin gern zugeknöpft: "Was solle mer denn redde? Ich weesch doch nix zu sage..." Von wegen. Fein gedrechselte PR-Phrasen waren der Interview-Partnerin Joy Fleming zwar so fremd wie Playback-Auftritte mit Gesang vom Band. Aber wenn sie erstmal Zutrauen gefasst hatte, konnte sie vom Leder ziehen, dass der Kugelschreiber nur so glühte. Unvergessen der erste Besuch in ihrem Hilsbacher Wohnzimmer 2003, einem Traum aus Pastellfarben und Plüschtieren - mit einer schmusebedürftigen Katze und einem mitteilungsbedürftigen Papagei im Rücken

Joy Flemings Lebens-, Leib- und Magenthema war der Eurovision Song Contest. Denn die Schmach des 17. Platzes beim (damals noch) Grand Prix 1975 in Stockholm empfand sie noch Jahrzehnte später als ungerecht. Deshalb sprach sie nach kurzem Zögern gern und ausgesprochen ungeschönt über ihre Nachfolgerinnen wie Schlagersängerin Michelle, die in der Regel unter Generalverdacht standen, nur Model-schlanke Hupfdohlen ohne Stimme und Gefühl zu sein. So herzerfrischend Joy Fleming lästern konnte, so sehr konnte sie über den grünen Klee loben, wen sie in ihr großes Kurpfälzer Herz geschlossen hatte - auch einst erklärte Unsympathen wie Stefan Raab oder Xavier Naidoo. Sie war eben ein waschechtes Bloomaul, das man nicht nur auf der Bühne vermissen wird. jpk

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