Comedy-Kritik

Luke Mockridge in Mannheim: „Wollt Ihr den Typen mit dem Sexskandal noch sehen?”

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Luke Mockridge erntet allen Negativschlagzeilen zum Trotz viel Applaus in der SAP Arena. © Markus Mertens

Mannheim. Seit 2012 war Luke Mockridge der Sunnyboy der deutschen Comedy. Ein ewig jungenhafter Wuschelkopf, so extrem erfolgreich und mit reisen überhäuft, dass er Glück zum Leitmotiv seiner Programme machen kann, ja muss: „I’m lucky, I’m Luke“ (2012), „Lucky Man“, „Welcome To Luckyland“ heißen sie. Bis die Strähne reißt, und er selbst das Glücksland dichtmacht. Nicht nur, dass die Pandemie eine meist doppelt gebuchte Arena-Tour ausbremst. Eine Ex-Freundin und Kollegin erhebt 2021 Missbrauchsvorwürfe, ein gewaltiger Proteststurm hebt an. Der „Spiegel“ bringt im Herbst eine aufwändige Recherche, derzufolge das kein Einzelfall gewesen sein soll. Strafrechtlich relevant wird das Ganze nicht, das Magazin muss einige Passagen ändern. Im Auge des Shitorkans nimmt Mockridge sich auch fernsehtechnisch aus dem Spiel - nun kehrt er mit “A Way Back To Luckyland” zurück, auch in die Mannheimer SAP Arena für zwei Shows. Am Donnerstagabend begrüßt der 43-Jährige „8000 Leute“.

Vor zweieinhalb Jahren, so lange hängen die Karten bei den meisten Besuchenden schon am Kühlschrank, wären beide Shows vermutlich voll gewesen. Jetzt gibt es große Lücken, vor allem  im Oberrang. Ob das an den Negativschlagzeilen oder immer noch der Pandemie liegt - schwer zu sagen. Auf die Fans, die da sind, kann Mockridge sich verlassen: Die jubeln genau so wie früher. Auch Mockridge gibt sich unbeeindruckt albern und strahlt aus allen Knopflöchern. Sein Publikum will genau das sehen. Als neutraler Zuschauer kriegt man die Ausgangssituation aber nicht so schnell aus dem Kopf. Und wundert sich, wie unbefangen er Witze über Penisbilder via Smartphone oder das Männerbild von Deutschrappern macht. Aber es ist auch nicht so, als ob man dem  vielleicht am tiefsten gefallenen Kulturschaffenden, den gerade noch mal frisch angeklagten Hollywood-Star Kevin Spacey, zuschauen würde.

Elefant im Saal

Immerhin räumt Mockridge den Elefanten im Saal schnell ab und spricht das Thema an. Nicht ungeschickt passiert das eher halb explizit: Er packt das Thema in einen selbst geschriebenen Disney-Musical-Song, mit dem er seine Zweifel und Ängste sublimiert haben will: “Wollt Ihr den Kerl mit dem Sexskandal überhaupt noch sehen?”, heißt es im – englischen – Refrain, gesungen mit der Emphase einer Disney-Prinzessin.

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Die Antwort geben ihm die immer noch ganz gut gefüllten Ränge. Der Rest ist Routine, vielleicht handwerklich etwas ernsthafter ausgeführt als früher: Alltags-Comedy für 20 bis 45-Jährige, aufgepeppt mit Musik und schlagfertiger Interaktion mit einzelnen Fans - bis hin zum angetäuschten Heiratsantrag, der Denis in der ersten Reihe eine kleine Panikattacke einbringt. Sehr gekonnt findet er anfangs sogar unfallfrei eine lustige Seite  am Ukraine-Krieg, in dem ein Comedian und ein Boxer die Weltpolitik beeindruckten. “Mit Mario Barth und Axel Schulz hätten wir nicht den gleichen Erfolg gehabt.” Auch die Pandemie handelt Mockridge locker ab: “Wisst ihr noch die erste Staffel Corona? Mit der Originalbesetzung Merkel und Trump?” Nach der Pause führt er vor, dass er in der Zwangspause viel Klavier geübt haben muss, begleitet vom Pausenclown Bobo mit Slipknot-Maske und Drumcomputer. Inhaltlich wird jetzt fast nur noch gealbert. Mit Ausnahme eines Teils, wo der Komiker klar zu machen versucht, dass man sein Leben nicht von digitalen Oberflächlichkeiten bestimmen lassen soll. Hauptsache, das eigene Luckyland stimmt.

Manches hätte er sich besser gespart

Den Transfer zu seiner eigenen Ausnahmesituation hätte er sich besser gespart. Sätze wie „Der Shitstorm war so groß, ich wusste nicht, ob ich noch live spielen will“ oder „Sorry, an die Hater, mir macht’s Spaß“ wirken zumindest auf Außenstehende nicht so souverän, wie er meint. Und die Geschichte vom kleinen Bruder, dessen Fahrlehrerin ihn mit den Worten  rausgeworfen haben soll „Ich kann niemanden unterrichten, dessen Familie so ein Frauenbild transportiert“ - das wirkt letztlich weinerlich. Zumal Mockridge die nachgelegte, auch ziemlich unangemessene Pointe halb versemmelt: „Ich fand’s so schlimm, dass im Jahr 2022 … Frauen Autofahren unterrichten dürfen.“ Den Fans ist’s wurscht: „Mach weiter!“, ruft einer. Zur Belohnung gibt’s in der Zugabe eine geballte 90er-Party zum Mitklatschen wie am Ballermann. Zurück ins Glücksland ist es trotzdem noch ein gewisser Weg.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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