Hintergrund - Auch ohne den 1976 verliehenen Orden wäre Joy Fleming der Inbegriff des Bloomauls - unverblümt, manchmal derb, aber mit dem Herz am richtigen Fleck

"Was muss ich'n do mache - mich foi anziehe?"

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Lebenslustig war Joy Fleming auch beim Interview (hier im Mai 2003 mit Kulturredakteur Jörg-Peter Klotz) im heimischen Wohnzimmer in Sinsheim-Hilsbach, wo sie am Dienstagabend überraschend starb.

© Fabry

"Joy Fleming singt Blues mit Gosch" titelte diese Zeitung 1972. Schlagzeilen wie diese gibt es reichlich. Die Stimmgewaltige war aber auch in Interviews und Talkshows nicht gerade auf den Mund gefallen - was sie zum Bloomaulorden, der höchsten in Mannheim vergebenen bürgerschaftlichen Auszeichnung, prädestinierte. "Was muss ich 'n do mache - mich foi anziehe?", reagierte sie 1976 auf den Anruf des Auswahlkomitees.

Wer im Archiv stöbert, stellt fest: Joy Fleming wäre nichts für den Diplomatischen Dienst gewesen. Sie liebte deutliche Worte und schreckte vor Deftigem nicht zurück. Die "Urmutter des Dialektgesangs" wollte nicht nur das Kurpfälzische, sondern auch ihre wuchtige Bühnenpräsenz "show-fähig" machen. Jahrzehnte lang wehrte sich die Sängern mit der Orkan-Stimme und XXL-Statur gegen "Schlankheitsdiktatur" in ihrem Metier: "Ich hab zwei Kaiserschnitte, eine Schrumpfniere und ein paar Pfunde zu viel - na und?", erklärte sie als 50-Jährige in einem Interview.

Überhaupt lag die Sängerin mit so manchen Kritikern, die ihr Beinamen wie "stampfende Brunhilde" verpasst hatten, im Clinch. Bei einer ARD-Talkrunde Mitte der 1970er Jahre polterte sie: "Es könnte sein, dass hier ein Journalist eine Ohrfeige bekommt - wie das schon einmal die Romy Schneider gemacht hat!" Es blieb freilich beim verbalen Schlagabtausch. Allerdings habe sie der Sender, wie sie beklagte, jahrelang nicht mehr eingeladen.

Schweres Geschütz fuhr sie auf, als der TV-Lästerer Stefan Raab rüde über ihre Figur gespottet hatte. Wenn "ich das Prominenten-Schwein mal sehe", konterte die beleibte wie beliebte Bluesröhre, "dann werde ich ihn fertigmachen und totsingen" (bekanntlich ist es nie dazu gekommen).

Grantig gegen "das Gehüpfe"

Zu ihren Lieblingsthemen, die sie in Rage brachten, gehörte auch, dass "es heutzutage auf der Bühne zu viel Gehüpfe, Glitzerklamotten und Halbnackte gibt", wie sie zu wettern pflegte. Und wenn die Rede auf Vollplayback kam, dann kam sie mit Kommentaren wie "Verarsche des Publikums" oder "einfach widerlich!" so richtig in Fahrt. Kolleginnen wie Kollegen, die selbst in Konzertsälen nur den Mund bewegen und "ihre mit allen Tricks im Tonstudio auf guten Klang getrimmte Stimme" aus der Konserve abspulen lassen, waren ihr ein Gräuel - was auch für "Möchtegernmusiker" in Castingshows galt. Hingegen zeigte sie für Dieter Bohlen durchaus Verständnis, wenn dieser bei "Deutschland sucht den Superstar" untalentierte Kandidaten medienwirksam abkanzelte. Solcherart Verbalattacken rangierten für Joy Fleming "unter dem Obergriff Notwehr", wie sie in einem Interview erklärte: "Wenn ich als professionelle Sängerin sehe, wie solche Hüpfer versuchen, einen Hit zu landen, kann ich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen."

Ob in Hochdeutsch (für Interviews) oder "Mannemrisch loskauderwelschend" (wie einmal ein norddeutscher Journalist schrieb) - Joy Fleming präsentierte sich stets unverblümt. Auch auf der Bühne. Das kam nicht bei allen an, aber bei ihrer Fangemeinde, die sie stets großartig in Stimmung - und manchmal auch auf Stühle und Tische - brachte. Bei ihrem ersten Auftritt im "Café Landes" (wie die Mannheimer Justizvollanstalt im Volksmund heißt) waren die schweren Jungs derart begeistert, dass sie ihr in Ermangelung von Blumen Plastikbecher zuwarfen.

Muhammad Ali war ihr Fan

Als ihr Fan erwies sich ein Schwergewicht der besonderen Klasse - im Mai 1976 sorgte eine Meldung dieser Zeitung für Gesprächsstoff: "Bloomaul Joy singt für Großmaul Ali". Die Boxlegende Muhammad Ali, die damals in der Münchner Olympiahalle gegen den Briten Richard Dunn den Weltmeistertitel verteidigte, hatte sich gewünscht, dass die Mannheimerin Joy Fleming für ihn die amerikanische Nationalhymne singt. Als sie 2011 für eine Serie dieser Zeitung ihr Lieblingswort nennen sollte, fasste Joy Fleming ihre drei Favoriten zusammen: "Aijo, wescht, so simmer halt." Ach ja, sie war eben so, wie sie war.

  • Als Erna Maria Paula Raad kam Joy Fleming am 15. November 1944 im pfälzischen Rockenhausen zur Welt. Nach Kriegsende zog die Familie nach Mannheim.
  • Der „Neckarbrückenblues“ gesungen „Negaabriggebluues“ entstand 1972. Das Dialektlied war Flemings größter Erfolg.
  • Platz 17 beim Eurovision Song Contest 1975 in Stockholm wurmte die stimmgewaltige Mannheimerin noch Jahrzehnte später. Deswegen nahm sie drei weitere Male am deutschen Vorentscheid teil – und belegte 1986 Platz vier sowie 2001 und 2002 jeweils Platz zwei.
  • Zu Mannheims Stadtjubiläum 2007 sang Fleming u.a. mit Rolf Stahlhofen das Lied „Meine Welt“.
  • Joy Fleming bekam mehrere Auszeichnungen: 1976 den Bloomaulorden als höchste bürgerschaftliche Auszeichnung in Mannheim. Baden-Württemberg verlieh ihr als Sängerin, die Dialekt und Musik eindrucksvoll vereint, 2012 den Verdienstorden. wam/jpk
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