Erinnerung - Vor 30 Jahren, am 28. Mai 1992, begannen tagelange Unruhen vor einer Asylbewerberunterkunft

Stadt Mannheim will Ereignisse von Schönau stärker aufarbeiten

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Sebastian Koch
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Mannheim. Von Sebastian Koch

Mannheim. 30 Jahre nachdem im Mannheimer Stadtteil Schönau Bürgerinnen und Bürger für tagelange Unruhen vor der damaligen Asylbewerber-Unterkunft in der Lilienthalstraße gesorgt haben, will sich Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) für eine stärkere Erinnerungskultur an diese Ereignisse einsetzen.

„Nach 30 Jahren fordern viele zurecht, dass wir über diesen gravierenden Punkt in unserer Stadtgeschichte nicht so einfach hinweggehen können“, sagte Kurz dieser Redaktion. Diese Diskussion werde die Stadt nun „aufgreifen und eine vertiefende Recherche und Aufarbeitung vornehmen“. Der heutige Oberbürgermeister hatte die Ereignisse damals noch als Stadtrat erlebt. „Wir waren schockiert, dass so etwas in der eigenen Stadt passiert“, sagt er 30 Jahre später.

Nachdem sich zuvor das Gerücht verbreitet hatte, ein Asylbewerber habe eine 16-Jährige vergewaltigt, versammelten sich am 28. Mai 1992 mehrere Hundert teilweise betrunkene Personen vor der Asylbewerber-Unterkunft und riefen ausländerfeindliche Parolen. Unmittelbar zuvor hatte die Polizei nach einer Schlägerei ein nahe gelegenes Fest aufgelöst. Dem damaligen Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD) und der im Januar verstorbenen damaligen CDU-Stadträtin Regina Trösch gelang es zunächst, die Menge zu beruhigen. An den folgenden Tagen kam es aber zu weiteren Ansammlungen. Das Gerücht der Vergewaltigung erwies sich als falsch.

Kürzlich hatte auch der Hauptausschuss des Gemeinderats bereits über das Thema diskutiert. Am Donnerstag erinnerte das Nationaltheater Mannheim mit der Premiere „Brennstoff“ an die Ereignisse. Am Samstag startet auf der Schönau ab 19 Uhr vom Lidl in der Lilienthalstraße aus außerdem ein Spaziergang „mit historischen Berichten und Begegnungen mit ehemaligen Bewohnern der Sammelunterkunft“, teilte die Grüne-Landtagsabgeordnete Susanne Aschhoff mit.

Kurz: „Heute andere Reaktionen“

Kurz warnte auch davor, dass sich Ereignisse wie im Frühsommer 1992 heute noch wiederholen können. Zwar hätten sich Unterbringungssituationen von Geflüchteten verändert und Netzwerke zur Prävention gebildet, die es 1992 noch nicht gegeben habe, sagte er. „Es wäre aber illusorisch und naiv zu sagen, dass sich Menschen heutzutage, gerade auch durch Fake News oder Gerüchte wie damals, nicht mehr gegen andere, die sie als Bedrohung sehen, mobilisieren ließen.“ Allerdings, argumentiert Kurz, würden die „Reaktionen der Medien“ und solche „aus der Mitte der Gesellschaft“ heute anders aussehen als vor 30 Jahren. Die, die bedroht und angegriffen werden, würden heute eine andere Stimme und ein anderes Gehör finden, glaubt der Oberbürgermeister. „Deshalb ist die Arbeit an präventiven und sozialen Strukturen und Netzwerken und der Erinnerungskultur so wichtig.“ (mit tbö, rcl)

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Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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