Umfrage - Staatliche Vorgaben zum Schutz vor Corona-Infektionen enden / Einzelhandel fühlt sich von der Politik im Stich gelassen / Masken sollen größtenteils weiter getragen werden

Wegfall der Maskenpflicht - Unternehmen im Südwesten agieren vorsichtig

Von 
Julius Paul Prior und Julia Giertz
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An diesem Sonntag fällt die Maskenpflicht in vielen Bereichen. © Bernd Weißbrod

Baden-Württemberg. An diesem Sonntag ist es soweit: Dann müssen in Innenräumen keine Masken mehr zum Schutz vor Corona-Infektionen getragen werden. Maskenpflichten sind nur noch begrenzt möglich, etwa in Kliniken oder Pflegeheimen und öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Wirtschaft im Südwesten geht unterschiedlich mit der neuen Situation um:

Industrie

Die Industrie agiert vorsichtig und will die Schutzmaßnahmen aufrechterhalten: Bei einer Blitzumfrage des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall unter 500 Unternehmensvertretern wollten nach Angaben des Verbands annähernd 90 Prozent in Bereichen, wo Mitarbeiter aufeinandertreffen wie auf Fluren, in Aufzügen oder Cafeterien, die Maskenpflicht bis auf weiteres beibehalten. Sechs Prozent halten demnach sogar an der Maskenpflicht am individuellen Arbeitsplatz fest. Drei Viertel der Metallfirmen wollen die bisherigen Homeoffice-Angebote fortsetzen, ein Viertel will sie herunterfahren.

90 Prozent der Befragten stellen ihren Mitarbeitern weiter Testmöglichkeiten bereit. Laut einem Verbandssprecher können sich die Unternehmen auf die gesetzliche Vorgabe stützen, nach der an die Infektionslage angepasste Schutz- und Hygienekonzepte erstellt werden sollen. "Die Unternehmen haben großes Interesse daran, dass die Belegschaft gesund bleibt und die Aufträge abarbeitet."

Einzelhandel

Die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands, Sabine Hagmann, hält mit Blick auf den Bundesgesetzgeber eine Maskenpflicht für nicht mehr erforderlich. Dass Geschäfte ihre Kunden per Hausrecht weiterhin zum Maskentragen verpflichten, werde so gut wie nicht vorkommen. „Wir werden das Gesetz im Vertrauen auf die Expertise von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach umsetzen“, erklärt Hagmann. Die Verkaufsberater sollten selbst entscheiden können, ob sie den Mundschutz weiter tragen. Sie schätzt, dass ungefähr die Hälfte der Belegschaften weiter auf Nummer sicher geht und die andere froh ist, wieder frei atmen zu können.

Der Handelsverband Hessen sieht das anders. „Wir werden eine Maskenempfehlung aussprechen“, sagt Katjuscha Maschik, Hauptgeschäftsführerin des Kaufhauses Ganz in Bensheim. Ob eine Pflicht angesichts der derzeitig hohen Infektionszahlen im Südwesten weiterhin nötig wäre, möchte der Verband jedoch nicht bewerten.

Bei Supermärkten könne sich Maschik vorstellen, dass diese zunächst von ihrem Hausrecht gebrauch machen und eine Maskenpflicht aufrecht erhalten. Andere Geschäfte könnten sich diese Option meist nicht leisten. Kundinnen und Kunden könnten wegen einer Maskenpflicht vertrieben werden.

Die Supermärkte und Discounter haben sich jedoch bereits gegen eine Maskenpflicht über das Hausrecht entschieden. Das bestätigten unter anderem Edeka, Rewe und Penny. Auch Lidl, Aldi sowie der Baumarkt Toom und Globus schlossen sich an.

Auch der Geschäftsführer des Handelsverbands Nordbaden, Swen Rubel, sagt: „In Richtung Maskenpflicht über das Hausrecht geht es bei niemandem. Die meisten Händler empfehlen ihren Mitarbeitern jedoch, weiter eine Maske zu tragen.“ Rubel kritisiert in diesem Zusammenhang die Politik: „Wir werden mit der Frage zur Maskenpflicht im Regen stehengelassen.“ Eindeutige Regeln sollten nun im Gespräch mit den Kundinnen und Kunden entstehen. Wenn sich diese wünschen, dass auch die Mitarbeitenden eine Maske tragen, solle dies umgesetzt werden.

Fitnessstudios

Der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen gibt keine Empfehlung für Studios bezüglich der Maskenpflicht. "Wir informieren Mitgliedsbetriebe über die aktuellen regionalen Verordnungen und empfehlen, sich an diese zu halten. Ob dann eine Hausordnung besagt, eine Maske zu tragen, bleibt der Fitnessanlage überlassen", sagt Geschäftsführer Alexander Wulf. Zusätzlich bleibe die Verantwortung des Mitglieds, ob es eine Maske trage oder nicht. Bislang war in den Umkleiden und auf den Wegen durch das Studio die Maske obligatorisch, aber nicht am Gerät oder in Kursen. Er habe den Eindruck, dass die Unternehmen vorsichtig agieren und Mitarbeitern das Tragen von Masken nahelegen, um das Risiko krankheitsbedingter Schließungen zu minimieren, so Wulf. Dem Verband gehören ein Drittel der Betriebe in Deutschland an - teilweise mit mehreren Anlagen.

Gastgewerbe

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) freut sich über die Lockerung. "Unser Verband hatte sich stets dafür eingesetzt, dass Einschränkungen fallen sollen, wenn keine Überlastung des Gesundheitssystems droht", sagt Verbandssprecher Daniel Ohl. Allerdings seien Betriebe und Gäste aufgerufen, weiterhin bestmöglich zur Eindämmung der Pandemie beizutragen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Gaststätten könnten im Rahmen ihres Hausrechts Anti-Corona-Maßnahmen wie die 3G-Zugangsbeschränkung oder die Maskenpflicht beibehalten. Wie viele Betriebe von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden, konnte Ohl nicht abschätzen. Bei der Maskenpflicht für die Mitarbeiter seien noch Rechtsfragen zu klären. Ohl: "Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, wenn die Kellner und Kellnerinnen insbesondere im Außenbereich der Gastronomie die Maske ablegen könnten."

Friseurhandwerk

Uwe Volz, Vorstand des Friseurinnungsverbands Baden-Württemberg, geht es nicht anders. Auch ihm fehlen noch klare politische Vorgaben zur Frage, ob die Beschäftigten weiterhin Masken tragen müssen: „Das ist noch nicht eindeutig kommuniziert worden.“ Volz will in seinen Geschäften Abteilungen abtrennen, in denen Kunden ohne Maske von Friseuren ohne Maske bedient werden, und solche, in denen ein Maskengebot gilt.

„Viele Kollegen sagen, dass sie die Masken zum Schutz der Kunden anlassen“, erklärt Guido Wirtz, Vorsitzender Landesinnungsmeister des Landesverbands Friseure und Kosmetik Rheinland. Auch er kritisiert, dass für körpernahe Dienstleistungen keine Regelungen festgelegt wurden, wie es sie für den Gesundheitsbereich oder öffentliche Verkehrsmittel gibt.

Dies könne sich schon bald ändern, erklärt René Hain, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands Friseurhandwerk Südhessen. Derzeit werden die Arbeitsschutzstandards für das deutsche Friseurhandwerk überarbeitet. „Das ist zwar eine Empfehlung, diese hat jedoch viel Einfluss“, beurteilt Hain. Wenn hier eine Maskenpflicht festgelegt werde, habe dies eine große Wirkung auf die Branche. Abgesehen davon appelliert Hain an die Eigenverantwortlichkeit und die Vernunft der Menschen, weiterhin eine Maske zu tragen – insbesondere wegen der aktuell hohen Infektionszahlen.

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