Ludwigshafen. Apropos Bildungsmisere und Gräfenauschule: Es kommt ja nicht oft vor, dass eine rheinland-pfälzische Bildungsministerin sich nach Ludwigshafen aufmacht - und dann auch noch ausschließlich positive Botschaften über die Stadt im Gepäck hat.
Umso überraschender war, dass die SPD-Politikerin Stefanie Hubig am Montagmorgen aus der Landeshauptstadt Mainz in ein sichtbar in die Jahre gekommenes Oggersheimer Hallenbad - direkt neben der Ernst-Bloch-Gesamtschule gelegen - eilte, um dort vor versammelter Presse und einigen leicht bibbernden Kindern im Schwimm-Dress festzustellen, dass die Schwimmausbildung hier schon seit den 80er Jahren vorbildlich organisiert sei.
"Best-Practice-Beispiel": Engagierte Lehrer koordinieren Schwimmunterricht
Hoppla - dafür 160 Kilometer mit dem schwarzen Dienstwagen? Der Hintergrund ist natürlich auch in diesem Fall interessanter als die Nachricht, die die Ministerin gerne platzieren wollte. Sie wollte nämlich anderen rheinland-pfälzischen Kommunen via Medien mitteilen: Seht her, trotz der Tatsache, dass die viel gescholtene und vergleichsweise arme 180 000-Einwohner-Stadt Ludwigshafen lediglich über zwei relativ heruntergekommene Hallenbäder verfügt, versorgt sie dennoch mit einigen engagierten Lehrkräften 26 Schulen mit Schwimmunterricht. „Das ist Schwimmförderung aus einem Guss und ein leuchtendes Best-Practice-Beispiel, das wir im Rahmen unserer Schwimminitiative gern zur landesweiten Nachahmung weiterempfehlen“, sagte Hubig.
Tatsächlich ist Schwimmunterricht in Rheinland-Pfalz nicht überall Realität - vor allem nicht im ländlichen Raum. Weswegen die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) schon vor längerer darauf hinwies, dass in diesem Bundesland jedes dritte Kind als Nichtschwimmer aus der Grundschule heraustrete und weitere 20 Prozent der Grundschüler nach Klasse vier keine sicheren Schwimmer seien.
Seit 2020 haben in Rheinland-Pfalz 16 Schwimmbäder dicht gemacht
Spätestens als das Fachportal Bäderleben nach der Corona-Zeit zusätzlich den Finger in die Wunde legte und bedeutete, dass seit 2020 in Rheinland-Pfalz 16 Schwimmbäder vor allem aus Geldmangel dicht gemacht hätten, war das für die CDU-Opposition im Mainzer Landtag ein gefundenes Fressen.
Ein Abgeordneter ließ sich sogar im Sommer 2023 zu einer Forderung verleiten, die ähnlich skurril klang wie der „Schwerter-zu-Pflugscharen“-Slogan der Friedensbewegung in der DDR der 80er Jahre. Bau-Container zu Schwimmhallen, hieß der analoge Vorschlag, handelsübliche Stahlkästen zum Wasserbecken umzufunktionieren, um diese dann im monatlichen Wechsel in strukturschwache Landesteile zu karren.
Welche Rolle spielt Migration beim Schwimmen lernen?
Ein Gutachten machte diesem Vorschlag zwar recht schnell den Garaus, aber nicht weniger satirischen Charakter als der Container-Vorschlag selbst hatte die Replik von Innenminister Michael Ebling, der sich mit dem Satz in die Debatte einbrachte, dass „Rheinland-Pfalz mit Schwimmstätten gesegnet“ sei. Dass Badeseen, die Ebling womöglich gemeint hat, jedoch nicht der geeignetste Ort sind, um unsicheren Schwimmern das Handwerkszeug zu vermitteln, zeigte unlängst wieder der tödliche Unfall eines siebenjährigen Jungen, der in einem südhessischen Badesee in Bensheim ertrank.
Schon aufgrund angespannter Haushaltslagen werden in den kommenden Jahren nicht genügend neue Hallenbäder und somit Wasserflächen entstehen. Hubig will das Thema dennoch mit großer Intensität verfolgen. Am Montag sagte sie: „Wir haben seit 2008 in Rheinland-Pfalz fast 2 000 Lehrkräfte mit einer zusätzlichen Lehrerlaubnis für Schwimmen ausgestattet. Und das Land hat von 2007 bis 2023 rund 132 Millionen Euro in den Bau und die Modernisierung von Schwimmbädern investiert. Dennoch ist uns bewusst, dass die Herausforderungen auf diesem Gebiet weiterhin groß sind. Politik, Gesellschaft, Bildungswesen und Eltern müssen dafür Hand in Hand arbeiten.“ Einen neuen Wettbewerb gibt es außerdem.
Man merkte Hubig an, dass es ihr eher unangenehm war, das Thema Migration in diesem Kontext zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Sie ließ aber durchblicken, dass vor allem Kinder aus dem arabischen Raum oft als Nichtschwimmer hier ankämen, weil die entsprechende Infrastruktur in ihren Herkunftsländern oft nicht vorhanden sei und ihre Eltern dieser Kompetenz meist nicht oberste Priorität einräumten. Sind Schwimmcontainer also doch sinnvoll für erste Berührungen?
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Immer mehr Nichtschwimmer: Eltern schieben Verantwortung ab