Stuttgart/Mannheim. Alle neun Großstädte in Baden-Württemberg können ihre Hebesätze bei der Grundsteuer für Wohn- und Gewerbeimmobilien erheblich senken, ohne Mindereinnahmen durch die vom nächsten Jahr an geltende Grundsteuerreform zu riskieren. Das ergibt sich aus dem Transparenzregister zur Aufkommensneutralität, das das Stuttgarter Finanzministerium am Montag im Internet veröffentlicht hat.
Damit beginnt nach den jahrelangen Vorarbeiten jetzt der Endspurt zur neuen Grundsteuer, die alle Immobilienbesitzer ab Januar 2025 bezahlen müssen. In den nächsten Monaten werden die 1101 Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg ihre neuen Hebesätze beschließen. Erst dann steht fest, wer für sein jeweiliges Grundeigentum mehr oder weniger Steuer zahlen muss.
Kommunen dürfen ihre Steuersätze selbst festlegen
In dem Register definiert das Haus von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) für jede Kommune im Land einen Korridor, der einen aufkommensneutralen Hebesatz gewährleistet. Die Angaben sind unverbindlich. Den Kommunen steht es frei, aufgrund ihrer Kassenlage oder wegen politischer Schwerpunktsetzungen ihre Steuersätze anders festzulegen.
Allerdings haben die Kommunalverbände Aufkommensneutralität bei der Umsetzung versprochen, nachdem ein Urteil des Verfassungsgerichts 2018 die Grundsteuerreform notwendig gemacht hat.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung des Städte- und Gemeindetags im Südwesten liest sich dies aber ein wenig anders. Dort heißt es, dass die Kommunen nicht zur „aufkommensneutralen Umsetzung“ der Grundsteuereform „verpflichtet“ seien. Die Verbände stehen nur noch zu der Zusage, dass die Neuregelung „nicht zu einer un- sachgerechten Mehrbelastung der Grundstückseigentümer insgesamt“ führen solle. In Einzelfällen kann es demnach sogar „unumgänglich sein“, die Grundsteuer zu erhöhen. „Dies gilt insbesondere in Zeiten ungebremst ansteigenden Ausgaben“, heißt es weiter in der aufschlussreichen Presseerklärung.
In Heidelberg könnten die Hebesätze besonders stark sinken
Als Orientierung dienen können die Angaben aus dem Transparenzregister bei aller Unverbindlichkeit sowohl für die Kämmerer in Städten und Gemeinden als auch für die Bürger. Unter den Großstädten attestiert das Register, der Landeshauptstadt Stuttgart den größten Spielraum: Hier kann der Hebesatz um mindestens 67 Punkte sinken, ohne dass die Grundsteuereinnahmen einbrechen. Auch in Freiburg und Heidelberg sind demnach große Hebesatzsenkungen möglich (61 Prozentpunkte). In Mannheim kann der Hebesatz auch sinken, aber mit 31 Prozentpunkten weniger stark. Dagegen ist in Schwetzingen eine Senkung des Hebesatzes um 46 Prozent drin. In Edingen-Neckarhausen wären es 43 Prozent. In Ulm und Pforzheim ist der Spielraum mit zwölf Punkten geringer.
Hebesatzsenkungen möglich sind nach Auskunft des Finanzministeriums in 71 Prozent der Kommunen im Südwesten. Bei sieben Prozent könnte der Hebesatz etwa gleich bleiben. 22 Prozent der Kommunen müssten wie zum Beispiel Bad Mergentheim ihren Hebesatz erhöhen, damit die Einnahmen aus der Grundsteuer stabil bleiben.
Komplizierte Berechnung der Grundsteuer
Die Berechnung der Grundsteuer ist recht kompliziert und funktioniert so: Eigentümerin S. hat in der Gemeinde G. im Südwesten ein Einfamilienhaus auf einem 400 Quadratmeter großen Grundstück. Weil der Bodenrichtwert pro Quadratmeter 250 Euro beträgt, beläuft sich der Grundsteuerwert auf 100 000 Euro. Dieser wird mit der sogenannten Steuermesszahl multipliziert. Bei S. sind das 0,00091, weil sie ihr Haus zu Wohnzwecken nutzt. Das ergibt einen Grundsteuermessbetrag von 91 Euro. Dieser wird mit dem Hebesatz der Gemeinde (350 Prozent) multipliziert. Die Grundsteuer beträgt also 318,50 Euro im Jahr.
Wer bereits einen Grundsteuermessbescheid bekommen hat, kann auf der Homepage des Finanzministeriums unter bit.ly/4edOlHo nachschauen, wie hoch seine Grundsteuer ausfallen würde, wenn die entsprechende Gemeinde, den unteren oder oberen Wert des Korridors anwenden würde. Immobilienbesitzern können erstmals auf einer realistischen Grundlage taxieren, wie hoch ihre künftige Belastung etwa ausfallen dürfte, wenn die Kommunen sich nicht außerhalb der Bandbreite immerhalb des Korridors bewegen. Das Finanzministerium erwartet, dass die finalen Grundsteuerbescheide der Kommunen „voraussichtlich Anfang kommenden Jahres“ verschickt werden.
Die Grundsteuer wird in vielen Fällen eher steigen statt sinken
Auf Grundlage des Transparenzregisters hat unsere Redaktion ohne Gewähr einige Beispiele durchgerechnet. Demnach würde der Besitzer eines Einfamilienhauses in Tübingen mit einem 1181 Quadratmeter großen Grundstück (Bodenrichtwert 885 Euro) bei einem aufkommensneutralen Hebesatz künftig 2406 bis 2653 Euro zahlen. Momentan sind es 1493 Euro. Ein Eigentümer aus Edingen-Neckarhausen müsste mit einem 489 Quadratmeter großen Grundstück (Bodenrichtwert 450 Euro) 394 bis 434 Euro zahlen. Gegenwärtig beläuft sich seine Grundsteuer auf 100 Euro.
Bei einer Eigentümerin aus Lörrach wären bei der Grundstücksgröße von 450 Quadratmetern und einem Bodenrichtwert von 480 Euro zwischen 628 und 698 Euro. Gegenwärtig sind es 370 Euro. Anders ausgedrückt: Die Grundsteuer wird in der Regel eher kräftig steigen statt sinken.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Kommunen müssen bei der Grundsteuer Maß halten!