Mannheim. Den eindrucksvollsten Tipp, Schokolade zu ersetzen, bekomme ich auf einer Pressekonferenz, auf der aus Rücksicht auf mich „keine süßen Stückchen, sondern Brezeln bestellt“ wurden. Die Verantwortlichen haben offensichtlich mein Fasten mitbekommen. Meine Gesprächspartnerin sagt: „Ich esse dann Instant-Kartoffelbrei mit Kurkuma. Diesen Tipp habe ich vor 30 Jahren in der Brigitte gelesen und er wirkt bis heute.“ Und weiter: „Dieser Mix soll das Gefühl von Schokolade im Mund nachahmen.“ Dieses liebe man, weil man als Kind zur Beruhigung oft mit süßem Brei getröstet wurde, sagt sie. Ich kann diese Theorie nicht nachprüfen - aber ich finde, dass sie irgendwie plausibel klingt.
Ein paar Tage Fasten bringt nichts
Auch Heißhunger, den ich seit Wochen versuche zu bekämpfen, ist kein medizinischer Begriff, sondern ein umgangssprachlicher. Aber jeder weiß, was gemeint ist: eine Gier nach Essen, die sich nur schwer unterdrücken lässt, oft nach etwas ganz Bestimmtem. Der Körper signalisiert: Ich brauche eine Handvoll Gummibärchen, jetzt! Oder gegrilltes Hähnchen! „Es ist ein Mechanismus des Organismus, der sich über Millionen Jahre bewährt hat“, sagt Johannes Wechsler, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner. Eine Hungerattacke habe unseren Vorfahren den überlebensnotwendigen Hinweis, Nahrung aufzunehmen, gegeben. Doch: Was ist in der heutigen Zeit? Manche haben sogar eher zu viel auf den Hüften.
Wechsler: „Die klassischen Heißhungerattacken entstehen, wenn der Blutzucker zu niedrig ist. Der Körper meldet dem Hirn: Das System ist im Defizit.“ Oder besser gesagt aus dem Lot: Denn gerade in unserer modernen - sesshaften - Zeit wird das komplexe System rund um das Hormon Insulin schnell aus dem Takt gebracht. Zum Beispiel durch Bewegungsmangel, Stress oder schlechte Ernährung. Oder eine Kombi aus allem: Wer in stressigen Zeiten zur Nascherei greift, landet im Teufelskreis.
Doch wenn Krankheiten oder Fehlregulationen im Körper ausgeschlossen sind, können viele Menschen ihre Dauer-Zuckerlust dämpfen. Hier ist Durchhaltevermögen gefragt, sagt Stoffwechselforscher Stefan Kabisch. Mal einige Tage zu fasten, hilft auf Dauer nicht weiter, betont er. „Das Bedürfnis, Süßes essen zu wollen, muss man sich langfristig abtrainieren. Das ist machbar, nicht bei jedem und nicht immer gleich stark, aber es geht.“ Das klingt für mich in den ersten Wochen wie Hohn. Aber es wird plausibler, jeweniger Insulin den Körper wild macht, merke auch ich. Denn ähnlich, wie wenn man nach zehn Gummibärchen eine Apfelschorle trinkt - und sich fragt, ob letztere süß sein sollte, kehrt hier langsam körpereigenes Gespür für echten Hunger ein.
„Nicht diktieren, Vorlieben nutzen“
Ernährungsforscher empfehlen beim Süßverzicht: Zwischenmahlzeiten vorbereiten: ob für unterwegs oder zu Hause. „Darunter kann durchaus auch mal etwas Süßes sein“, sagt Ernährungsexperte Lars Selig. „Wir empfehlen Patienten, sich in klaren Situationen genau zu überlegen, was sie bei Heißhungerattacken essen können“, so Selig. „Es hilft nichts, etwas zu diktieren. Am besten funktioniert, was selbst überlegt und an die eigenen Vorlieben angepasst wurde.“
Mischkost sei derweil besser als eine einseitige Mahlzeit. Ein belegtes Vollkornbrötchen etwa liefert neben Kohlenhydraten auch Fett und Eiweiß. Eiweiß sättigt anhaltender als Kohlenhydrate. In Obst und Gemüse stecken zudem appetithemmende Bitterstoffe: etwa in Chicorée, Grünkohl, Grapefruit oder Granatapfel. Eine Banane liefert „besseren“ Zucker als Süßes: Er wird vom Körper verzögert aufgenommen und lässt den Blutzucker nicht hochschnellen. Aber klar: Wer fünf Bananen isst, schießt über das Ziel hinaus. Die Menge macht das Gift.
Apropos Gift: Beim raffinierten Industriezucker gilt die oben genannte paracelsische Weisheit ebenso. Zahlreiche Studien belegen, dass ein Konsum über der WHO-Empfehlung (Erwachsene: max. 6 TL am Tag, besser weniger) schadet. Aber was ist mit süßem Ersatz, den Süßstoffen? „Zucker ist eindeutig gesundheitlich problematisch, Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe weniger“, sagt Stefan Kabisch. Welche der Stoffe weniger schädlich oder tatsächlich gesünder sind, lasse sich mangels ausreichender Forschung aber nicht sagen.
Und bei manchem Süßstoff ist beim Backen Vorsicht geboten. Zum Beispiel bei Sucralose. Durch Erhitzen über 120 Grad können Verbindungen entstehen, die gesundheitsschädlich sind und krebserzeugendes Potenzial haben. Aber es gibt Zuckeraustauschstoffe, die fürs Backen besser geeignet sind. Etwa Xylit und Erythrit. Allerdings sorgte eine Studie zu letzterem Stoff erst kürzlich wieder für Negativschlagzeilen: Ein Zusammenhang mit Schlaganfällen wurde nahegelegt. Ähnlich war es kurz davor (erneut) mit dem Stoff Aspartam. Krebsforscher hatten eine erste Einschätzung vorgenommen, die klang erstmal beunruhigend. Ernährungsexperten reagierten aber ziemlich gelassen. Auch hier ging es dann wieder um die Menge oder die Person, die es konsumiert.
Bei Rezept: 1/3 Zucker abziehen
„Ein Softdrink ab und zu, oder Kaugummi: Da sollte man sich nach jetzigem Stand keine Sorgen machen“, sagte damals Francesco Branca, Direktor der WHO-Abteilung für Ernährung und Lebensmittelsicherheit. „Wir empfehlen nicht, gänzlich auf Süßstoffe verzichten, aber wir empfehlen Zurückhaltung.“ Wer im Supermarkt überlege, ob er Softdrinks mit Zucker oder mit Süßstoff kaufen soll, ziehe am besten eine dritte Variante in Betracht, so Branca: „Wasser trinken“ - oder andere Getränke ohne Süßmittel. Die Lösung ist also nicht, die Lust auf Süßes durch Süßungsmittel zu stillen - sondern sie sich abzugewöhnen, sind sich schon länger Experten einig. Sie wissen auch: Bei Rezepten kann man ein Drittel Zucker reduzieren, ohne dass es misslingt. Einfach mal probieren! (mit dpa)
Was tun bei Heißhunger? Resümée nach drei Wochen Fasten-Challenge
Wirksame Tipps bei Lea:
- Nüsse
- Nüsse
- Nüsse
- Datteln, Rosinen
- Banane mit Mandelmus
- Blaubeeren
- Käse
- Kartoffelbrei mit Curcuma
- Sauerkonserven
- Bitterstoffe
- Ersatz-Crunch-Müsli aus gerösteten Kernen
- Kalter Reis
- Lenke dich ab
- Tee
- Es ist eine Einstellungsache
- Kaltes Wasser
- Knäckebrot
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[2] https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gut-essen-und-trinken/dge-ernaehrungskreis/
[3] https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/suessstoff-sucralose-beim-erhitzen-von-lebensmitteln-koennen-gesundheitsschaedliche-verbindungen-entstehen.pdf
[4] https://www.who.int/news/item/14-07-2023-aspartame-hazard-and-risk-assessment-results-released