Heidelberg. Er hat mehrere Bundespräsidenten genauso auf Reisen begleitet wie Kanzler Helmut Kohl, den iranischen Schah Reza Pahlavi sowie den früheren ägyptischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Anwar as-Sadat.
Der in Heidelberg lebende Fotograf Helmut R. Schulze war als Journalist über mehrere Jahrzehnte in den Zentren der Macht auf der ganzen Welt unterwegs. Das hat ihn offenbar jung gehalten. Denn gerade ist das älteste aktive - und dienstälteste - Mitglied der Bundespressekonferenz 95 Jahre alt geworden. Ein Besuch.
An der Wand seines Arbeitszimmers mit wunderschönem Blick ins Neckartal hängen drei Weltkarten. Alle sind dicht besetzt mit bunten Stecknadelköpfen. Schulze hat jeden Ort markiert, den er bereiste. Kaum eine größere Fläche auf dem Poster trägt nicht eine solche Kennzeichnung - vom Kaukasus bis in die Karibik, von der Antarktis bis nach Kanada.
Unterwegs in der Wüste und dem ewigen Eis
Eine eigene Karte haben die Schiffsreisen bekommen: Da sind die Stecknadelköpfe mit bunten Fäden verbunden, damit man auf einen Blick die Schiffsroute nachvollziehen kann. Von Dubai bis in die Antarktis: Er war unterwegs in Regionen, die damals eher unbekannt waren.
Dabei hatte zunächst alles nach einem ganz anderen Leben ausgesehen. 1929 in Bad Liebenwerda, 60 Kilometer nordwestlich von Dresden geboren, wächst der sportliche Junge auf mit den Erzählungen des Großvaters vom Leben in Amerika und Asien - ohne je dort gewesen zu sein. Ob der Opa damit das Fernweh geweckt hat? Zwei Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs wird der Junge in die Wirren des Zweiten Weltkriegs hineingezogen und landet in russischer Gefangenschaft.
Nach Kriegsende kommt er von Sachsen-Anhalt nach Niederbayern und holt sein Abitur nach. Medizin möchte er studieren, doch er tritt der Bundeswehr bei. Als Offizier dient er auch in der Kaserne in Mannheim-Seckenheim. Schicksalhaft wird eine Begegnung des nun 40-jährigen Oberstleutnants in Garmisch mit seinem späteren Mentor Franz Burda: Schulze soll einen Ball organisieren, sucht Sponsoren für die Spendengala - und findet Burda.
Helmut R. Schulze
- Helmut R. Schulze (95) ist in Bad Liebenwerda geboren und wohnt in Heidelberg.
- Seit den 1970er-Jahren fotografierte er fast alle Persönlichkeiten der Zeitgeschichte.
- 1987 erhielt er die Auszeichnung World Press Foto (Kategorie People in the news), 2000 den Kulturpreis der Dresdner Bank Berlin.
- 2001 wurde Schulze das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.
Als er dem Verleger von seinen Urlaubsplänen erzählt, zwei Monate mit einem VW-Bus durch die Sahara fahren zu wollen, hat er plötzlich einen Reporterauftrag in der Tasche. Der erste Fotobericht in der „Bunte“ erscheint.
Schulze quittiert bald den Dienst bei der Bundeswehr. Rund 100 Fotoberichte aus den entlegensten Winkeln der Welt schickt der Fotoreporter an seinen Verleger, den er „Senator“ oder „der Alte“ nennt. Eine „wilde Zeit“ sei das gewesen, erinnert sich Schulze. So sei er einer der Ersten gewesen, die Berggorillas im Kongo fotografierten, 1975 sendet er exklusiv Bilder von der Wiedereröffnung des Suez-Kanals nach Deutschland.
Zwei Stunden Zeit haben wir uns für das Interview gegeben. Doch wenn der immer noch so beneidenswert hellwache Fotojournalist in seinen Erinnerungen kramt und einen teilhaben lässt an Momenten, die Zeitgeschichte sind, würden keine zwei Wochen ausreichen, um alles zu erfassen.
Als Fotograf mit Kanzler Kohl verbunden
„Auf diesem Sofa hat auch Ex-Kanzler Helmut Kohl schon gesessen“, erzählt Schulze - und zeigt auf den Platz, wo ich nun schon eine Stunde sitze. Unvermittelt vom Impuls getrieben, respektvoll hochzuspringen, bleibe ich doch sitzen.
Denn Schulze erzählt schon wieder so eine spannende Geschichte: Wie es dazu kam, dass der Kanzler der Einheit hier inHeidelberg vorbeischaute. „Er hat angerufen und gefragt, ob er kommen dürfte.“ Schulze hatte viele Fotos der früheren Kanzlergattin Hannelore gemacht - und die wollte sich Kohl hier ein paar Monate nach ihrem Tod ansehen. „Wir haben Bratkartoffeln zusammen gegessen, die mochte er so gerne.“ Aus den Hannelore-Kohl-Bildern hat Schulze zum zehnten Todestag 2011 gemeinsam mit Kohl-Sohn Walter einen Bildband veröffentlicht.
Als einziger Journalist begleitete Schulze ab 1985 den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. So entsteht unter anderem die Aufnahme vom riskanten Sprung des Bundespräsidenten über eine Eisspalte. Die beiden Männer verbindet eine Freundschaft. Gemeinsam spazieren sie Ende 1989 zur gerade geöffneten Mauer. Den Ätna fotografiert er - unter Lebensgefahr - zu Beginn eines Ausbruchs.
Ganzes Leben war ein einziger Zufall
„Ich habe oft einfach Glück gehabt, im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu sein“, sagt Schulze bescheiden, „mein ganzes Leben war ein einziger Zufall“. Glück allein kann es indes nicht gewesen sein, das den Wahl-Heidelberger so oft ganz nahe an jene Menschen brachte, die Weltgeschichte schrieben. Vielmehr auch der Mut, zuzugreifen, wenn sich die eine Gelegenheit bot, ein einzigartiges Motiv zu schießen.
Hartnäckigkeit und Ehrgeiz, gepaart manchmal mit etwas Sturheit - das gehören sicher ebenfalls zum Erfolgskonzept des Fotografen. Aber auch das korrekte und verbindliche Auftreten („Ich kam immer in Anzug und Krawatte zu Terminen, manchmal bin ich einfach unerkannt mit den Politikern durchmarschiert“)ist Teil der „Marke Schulze“. Und: „sich nicht selbst wichtig zu fühlen“.
In Ägypten bei Präsident Sadat
Dabei lebte er unter anderem sechs Jahre in Ägypten im Umfeld des Friedensnobelpreisträger Anwar as-Sadat (1918-1981). Der Bildband „Sadat - der Ägypter“ ist eines seiner erfolgreichsten Bücher. „In Ägypten ist es nie erschienen“, findet der Fotograf bemerkenswert.
„Routine ist der Tod der Qualität“: Bei der Bildauswahl bedingt sich Schulze immer das letzte Wort aus. Und seine Kameras - die erste war eine „Exacta“ mit einem Zeiß-Objektiv, die er in Westdeutschland ein Sechstel billiger bekam, als sie in der DDR verkauft wurde - hingen immer im Doppel um seinen Hals. So bleibt ihm die Erfahrung erspart, einzigartige Bildmomente durch technische Fehler oder Prozesse im Entwicklerbad wegschwimmen zu sehen.
Der einstige Globetrotter lebt heute in seiner Heidelberger Wohnung umgeben von Mitbringseln aus vielen Touren in Afrika und Asien. „Reisen, das geht jetzt leider nicht mehr so gut“, bedauert der 95-Jährige. Aber allein die geschätzt anderthalb Millionen Dias können ihn jederzeit wieder in alle Welt entführen - in Gedanken und Erzählungen. Und daran möchte er möglichst viele Menschen teilhaben lassen, auch wenn sie ihn nicht alle auf dem tiefen Sofa besuchen können.
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