Mannheim. Moderne und funktionale Kleidung für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer, aber auch für Menschen ohne körperliche Behinderung – geht das? „Klar geht das“, sagt Claire Common. Die Mannheimer Modedesignerin hat sich 2021 mit ihrer gleichnamigen Modemarke selbstständig gemacht und zu Beginn dieses Jahres die erste Kollektion veröffentlicht. Ihr Ziel: Kleidungsstücke entwerfen, die niemanden ausgrenzen.
Das Mannheimer Modelabel Claire Common
- Die 28-jährige Modedesignerin Claire Common hat 2021 ihr gleichnamiges Modelabel gegründet. Sie stellt inklusive Mode her, die Menschen mit und ohne Behinderung tragen können.
- Anfang 2023 hat Common ihre erste Kollektion veröffentlicht. Sie enthält neun Produkte, beispielsweise einen Hoodie und eine Korsage.
- Die Kleidung ist sowohl online auf der Webseite von Claire Common als auch vor Ort erhältlich: im „Hometown Glory“ im Q6/Q7-Center und im Weinheimer Pop-up-Store „Designstories“.
- Auf ihrem Instagram-Profil @clairecommon.official klärt die gebürtige Mannheimerin über ihr Konzept und das Thema Inklusion auf. jes
„Natürlich gibt es schon viele Marken, die Klamotten für Menschen mit Behinderung herstellen. Diese adaptive Kleidung ist dann beispielsweise speziell auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern zugeschnitten“, erklärt Common, während sie durch das „Hometown Glory“ im Mannheimer Q6/Q7-Center läuft – ein Pop-up-Store, in dem junge Mannheimer Marken ihre Produkte ausstellen und verkaufen können. Die 28-Jährige ist mit ihrer Kollektion gerade vom oberen in das untere Stockwerk gezogen.
Konzept von Claire Common ist bislang einzigartig auf dem deutschen Markt
„Das Besondere an meiner Mode ist, dass sie auch Personen tragen können, die nicht körperlich eingeschränkt sind – ohne, dass es auffällt“, fährt sie fort. „Inklusion bedeutet für mich, dass alle daran teilhaben können, und nicht, dass es für einzelne Gruppen etwas Separates gibt.“ Common deutet auf die Klamotten, die sie trägt: eine graue, locker sitzende Hose und ein schwarzer Hoodie. Beides stammt aus ihrer ersten und bislang einzigen Kollektion. Sie behält Recht: Auf den ersten Blick wird nicht deutlich, welche Funktionen sich hinter ihrer Kleidung verbergen.
Und welche sind das? Als Erstes nennt die Designerin ihre Stoffauswahl: „Die Stoffe sind elastisch und gut dehnbar, leiern dabei aber nicht aus. Das hilft Personen, die Probleme damit haben, sich selbst anzuziehen.“
Beim Schnitt achte sie darauf, dass zum Beispiel Oberteile vorne kürzer und hinten länger sind. So seien im Sitzen die Nieren bedeckt, gleichzeitig schließe das Oberteil vorne mit den Oberschenkeln ab, „wodurch sich der Stoff im Sitzen nicht aufbauscht“. Auch die Korsage sei extra kürzer geschnitten, damit die Stäbe sich nicht in den Oberschenkel drücken, erklärt Common.
Weiterhin habe sie Wert darauf gelegt, großzügige Taschen an ihren Kleidungsstücken anzubringen: „Es ist einfacher für Rollstuhlfahrer, wenn sie ihre Wertgegenstände nicht hinten in einem Rucksack verstauen müssen, sondern direkt griffbereit haben. Und dazu kommt noch der Sicherheitsaspekt, weil sie sich so besser vor Diebstahl schützen können.“ Mit diesem ganzheitlichen Konzept für inklusive Mode sei sie bislang einzigartig auf dem deutschen Markt, so die gebürtige Mannheimerin.
T-Shirts für Blinde: Designerin legt Wert auf Eigenständigkeit
Eine Sache fällt sofort auf, wenn man seinen Blick durch den Mannheimer Store schweifen lässt: die Farbe der Kleidungsstücke, die zur Marke „Claire Common“ gehören. Ihre Produkte sind überwiegend in Schwarz und Grau gehalten, lediglich ein paar weiße Shirts hängen dazwischen. „Das sind meine Blindenshirts. Die kamen im Frühjahr dieses Jahres dazu.“
Auf den T-Shirts findet sich neben einem farbig aufgedruckten Spruch derselbe in Braille, also Blindenschrift. „So können blinde Menschen den Aufdruck eigenständig lesen und sind nicht darauf angewiesen, es sich vorlesen zu lassen.“ Der Spruch befindet sich auf der Vorder- und Rückseite der Shirts – „denn die Hemmschwelle, jemanden an der Brust zu berühren, ist größer als am Rücken“, erklärt Common.
Das Thema Inklusion hört für die 28-Jährige aber nicht bei körperlichen Einschränkungen auf: „Alle meine Produkte sind unisex, also nicht nur auf ein Geschlecht zugeschnitten. Ich möchte niemandem vorschreiben, was er oder sie zu tragen hat.“ Auch größeninklusive Mode liegt Common am Herzen. Ihre Hoodies sind bis zur Größe 4XL verfügbar. „Leider geht das bei der Korsage und der Hose noch nicht, weil ich dafür das Design anpassen muss.“
Etwa die Hälfte ihrer Kleidung lässt sie in einer Inklusionswerkstatt in Weinheim anfertigen, in der Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten
Bei der Wahl der Produktionsstätte hatte die Modedesignerin ihr Herzensthema ebenfalls im Hinterkopf. Etwa die Hälfte ihrer Kleidung lässt sie in der Inklusionswerkstatt Blauherz aus Weinheim anfertigen, in der Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten. „Ich habe meine Designs ein wenig vereinfacht, damit die Herstellung nicht zu komplex ist.“ Die übrigen Kleidungsstücke lässt sie in einer Mannheimer Firma produzieren.
Claire Common: Durch Zufall zur inklusiven Modedesignerin
Dass Common sich so für das Thema Inklusion einsetzt, ist eher aus einem Zufall heraus entstanden. „Ich habe einen Zeitungsartikel über Personen gelesen, die ein Bein verloren haben. Sie haben durch eine Fußballmannschaft zurück ins Leben gefunden, weil sie dort verstanden wurden und sich gegenseitig unterstützen konnten“, berichtet die Designerin. „Das hat mich dazu inspiriert, das Thema Inklusion mit Mode zu verbinden, die schon immer meine Leidenschaft war.“
Bereits während des Modedesign-Studiums arbeitete Common an ihrem Konzept, mit dem sie sich zwei Jahre nach dem Abschluss selbstständig machte. Mit ihrer Arbeit möchte sie nun auch ein Vorbild sein: „Ich will zeigen, dass es möglich ist, wirtschaftlich erfolgreich zu sein und sich gleichzeitig sozial zu engagieren.“
Gerne führt sie intensive Gespräche mit Kundinnen und Kunden, die zuvor keine Berührungspunkte mit dem Thema Inklusion hatten. „Manchmal kommen die Menschen nochmal wieder und sagen mir, dass sie das Thema seitdem nicht mehr loslässt und sie sich nun damit beschäftigen“, erzählt Common und strahlt. Es ist ihr ein großes Anliegen, mit ihrer Mode auch Botschaften zu transportieren.
Eine weitere Möglichkeit, ihre Botschaften an ein breites Publikum zu streuen, bietet ihr die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar (IHK). Dort hält Common seit einiger Zeit Vorträge zum Thema Inklusion und gibt Unternehmen Tipps, wie sie diese in ihren Alltag einbinden können. „Ich will den Menschen vermitteln, dass eine Behinderung nichts Schlimmes ist“, erklärt sie.
Claire Common plant neue Kollektion für 2024
Spricht man Common auf ihre Zukunftspläne an, beginnt sie zu schwärmen: „Ein großes Ziel ist, ein Team mit mehreren Mitarbeitenden aufzubauen, die mich auf allen Ebenen unterstützen. Außerdem würde ich meine Produkte gerne irgendwann europaweit vertreiben.“ Ebenso seien Einzelanfertigungen und eine inklusive Sportkollektion Teil der „Wunschliste“.
Im kommenden Jahr steht allerdings zunächst ein anderes Projekt an: die Veröffentlichung ihrer zweiten Kollektion. Bei dieser liege der Schwerpunkt der Modedesignerin auf Business-Looks, unter anderem plane sie einen Blazer. „Aktuell peile ich für den Release März 2024 an.“ Eine Outdoor-Variante der Hose sei ebenfalls in Arbeit.
Das größte Ziel der 28-Jährigen ist jedoch eines, das sie nur wenig beeinflussen kann. „Ich wünsche mir, dass die Krankenkassen inklusive Kleidung finanziell fördern.“ Denn mit ihrer Mode will Common nicht nur Botschaften verbreiten, sondern auch das Selbstbewusstsein und die mentale Gesundheit der Menschen stärken, die sie tragen.
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