Mannheim. Kein Platz im Paradies - „No place in paradise“ sang JP Kennedy beim Abschiedsfest des Nachbarschaftsprojekts ALTER auf dem Alten Meßplatz. Der Sportpark zieht in den kommenden Wochen auf die angrenzende Fläche am Brückenkopf um, in die „Oase“, jedoch in abgespeckter Form. Der Verein POW kann die Arbeit nicht länger allein stemmen, und der Platz ist künftig wegen des geplanten Forums der Deutschen Sprache zu klein.
Abschied vom ALTER in der Neckarstadt: POW lässt es krachen
Deshalb werden einige Geräte ganz abgebaut, etwa die beliebten Pumptracks. Das Folgeprojekt „Oase“ unter dem Dach des Vereins POW soll am Brückenkopf verstetigt werden - wie und ob das gelingen kann, wurde beim zweitägigen Fest am Freitag und Samstag diskutiert.
Zwei Tage Musik satt, Spiel und Sport: POW ließ es am Wochenende noch einmal so richtig krachen. Er startete ganz emotional mit einem Chorfestival am Freitagabend mit vier Chören, nach einer Idee von Vorstandsmitglied Julia Alicka und David Julian Kirchner.
Den Auftritt des Vesperkirchenchors fand das Publikum „sehr rührend“. Es folgte der IG Pop Thekenchor unter Leitung von David Julian Kirchner. Auch der Mainzer Chor Rote Neustadt legte sich mächtig in Zeug. Abschließend sang der „Chor für Menschen, die nicht singen können“ unter Leitung von Julia Alicka. „Das war total bewegend.“ Und zum Schluss sangen alle Chöre gemeinsam mit dem Publikum „Der Traum ist aus“ von Ton Steine Scherben.
Auch am Samstag war der Platz gefüllt mit Fans des außergewöhnlichen und vorbildlichen Projekts, das von der Nebenan.de-Stiftung zum Landessieger gekürt wurde, für das POW den Nachbarschaftspreis erhielt. Den ganzen Tag über fanden Konzerte statt, und bis in die Nacht ging es mit Livemusik weiter.
Nachbarschaftsprojekt ALTER: Ein "Identifikationsort"
Dass trotz der mitreißenden Rhythmen nicht so recht Stimmung aufkam, lag daran, dass ALTER für immer schließt. Und das Nachfolgeprojekt „Oase“ geht in die ohnehin geplante Winterpause. Daniel Bockmeyer, Leiter des Quartiersbüros Schwetzingerstadt, erklärte: „ALTER ist das beste soziokulturelle Projekt, das Mannheim in den letzten Jahren herausgebracht hat.“ Er findet es „superschade, dass jetzt wirklich ein Schlusspunkt ist für das Projekt, das Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen zusammenbringt“. Bockmeyer hofft, dass die Stadt POW bei den anstehenden Etatberatungen berücksichtigt: „Damit es weitergeht mit dem Projekt, das Strahlkraft über Mannheim hinaus hat.“
POW-Gründungsmitglied Philipp Morlock meldete sich sogar aus Italien, um die Gründe für den Rückzug von POW und die Schließung von ALTER mitzuteilen: „Das Problem war, dass wir dann noch für ein Jahr einen Pachtvertrag hätten abschließen müssen, dann hätte die Haftung bei uns gelegen.“ Ende des Jahres entscheide die Stadt im Fachausschuss, ob es Fördermittel für „Oase“ gibt. „Bis nächstes Jahr Sommer muss der Platz geräumt werden“, sagte Morlock.
„ALTER wurde in kurzer Zeit für sehr viele Menschen zu einem Identifikationsort“, erklärt Philipp Kohl, ebenfalls Gründungsmitglied von POW: „Eine ganz wichtige Zutat war, dass die Menschen vor Ort nicht zum Konsum gezwungen werden, obwohl ein Angebot da ist. Und dass Sport und Kultur hier an einem Ort zusammengebracht worden sind.“
Vorstandsmitglied Julia Alicka zeigte sich „total dankbar für die Option einer Zwischennutzung“. Aber „es ist blauäugig zu glauben, dass es nach ALTER eins zu eins weiter geht“. Schließlich stehe am Brückenkopf nur ein Viertel der bisherigen Fläche zur Verfügung. Das sei schwierig für Spiel- und Sportangebote. Doch das kreative und lösungsorientierte Team von POW habe schon ein paar Visionen, wie das funktionieren kann. „Mehr optisch als inhaltlich, aber ebenso attraktiv.“
Pumptracks des ALTER werden fehlen
Für Nicole Pilgrim und Sabine Schulz ist es „unverständlich, dass dieser soziale Platz einfach platt gemacht wird“. „ALTER ist sowas wie ein Auffangtreff in der Neckarstadt, dort wird auch Menschen geholfen, die Unterstützung und Hilfe brauchen.“ Auch für die Kinder sei es schade, dass ALTER schließt. „Weil sie hier Dinge erleben konnten, die zu Haus nicht möglich waren“, erzählten die beiden Neckarstädterinnen. Aber sie geben die Hoffnung nicht auf, dass das mit der „Oase“ was wird.
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Die zehnjährige Sophia liebt die Pumptracks, ihr kleiner Bruder Leon auch. „Er war noch nicht ein Jahr alt, da hat er schon gerufen, ich will zum ALTER“, erzählte seine Mutter. Nicole Reim findet den ersatzlosen Abbau der Pumptracks „superschade“. „Wo sollen all die vielen Leute hin, die sich hier treffen?“ Der Platz vor der „Oase“ sei dafür viel zu klein.
Auch Sven Fettel versteht nicht, warum ALTER wegmuss. „Es kamen Leute von überall hierher, um Musik zu hören und Leute zu treffen. Sehr schade, wie sich das entwickelt hat.“
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