„Ist das Baukultur oder kann das weg?“ In Mannheim gibt es nach Ansicht des Architektenvereins MOFA (Mannheims Ort für Architektur) einige Bauwerke der Nachkriegszeit, die umgestaltet, aber nicht unbedingt abgerissen werden sollten. Im Vordergrund steht die Diskrepanz zwischen Abriss und Erhalt. In der Auftaktveranstaltung wurde ein besonderer Blick auf die Gefährdung der Mannheimer Baukultur geworfen. Dabei leistete eine Diskussion zu Umbau, Sanierung und Bestandserhaltung ihren Beitrag.
„Rote Liste“ der Gebäude
Auch heute seien Teile unserer gebauten Umwelt ähnlich einer Roten Liste zunehmend gefährdet. Und auch hier drohe Vielfalt zu verschwinden, so die veranstaltenden Architekten in ihren Eingangsreden. Durch die abendliche Veranstaltung im EinTanzHaus in der Trinitatiskirche (G4) führten Bernita Le Gerrette (BDA BW, Bund Deutscher Architektinnen und Architekten) und Dennis Ewert (MOFA). Teilnehmer der Diskussionsrunde waren Peter Brückner von Brückner und Brückner Architekten, Maren Harnack von Frankfurt UAS, Martin Hahn, Landesamt für Denkmalpflege, Ursula Baus von der Zeitschrift Magazin marlowes, Architekt Johannes Striffler und der Vorsitzende des Vereins „Wir im Collini“, Thomas Holzner.
Seien es auf den ersten Blick unscheinbare Nachkriegsbauten, die verhassten Bauten des Brutalismus der 1960er und 1970er/1980er Jahre oder die ersten regionalen Hochhaus-Experimente: Es gibt gute Gründe, sie zu erhalten und umzunutzen.
Die Geschichte der Trinitatiskirche
Johannes Striffler gab zuerst einen Einblick in die zwischen 1956 und 1959 gebaute Trinitatiskirche, deren frei stehender - seit 2017 eingerüsteter - Glockenturm abrissgefährdet ist, da es hierfür seit Ende 2020 einen Abrissantrag seitens der evangelischen Kirche gibt. Insbesondere in der Glockenstube gebe es Schäden an den Betonkuben. Striffler unterstreicht, dass das Gebäude nur in seiner Gesamtheit wirke. Als Kulturbau zeichne sie die einzigartige Schönheit aus.
Er gehöre zu den Orten, an denen der Reiz des räumlichen Gestaltens für jedermann aufs Schönste spürbar werde. Der pionierhaft moderne Bautypus als reiner Betonbau mit viel Licht im Inneren werde durch den Abriss des Turms verstümmelt und stadträumlich in der Wirkung entwertet.
Positive Beispiele für umgebaute historische Gebäude
Architekt Peter Brückner zeichnete gelungene Wege auf, den Bestand zu erhalten, nach neuen Bestimmungen umzubauen und eine neue Nutzung zu ermöglichen. Eines dieser gelungenen Beispiele sei der Umbau einer alten Brauerei im bayerischen Baunach zu einem Bürgerhaus oder die Transformation des Gymnasiums in Neustadt an der Waldnaab. Er stellt sein Motto in den Vordergrund: „Wir schaffen Lebensräume. Wir respektieren Mensch und Ort. Wir schaffen Erinnerung.“
Architektur und Leben würden sich nicht trennen lassen und was in diesen Räumen passiere, das gehöre alles zusammen, so der Architekt. Das müsse nicht teurer sein als ein Abriss und ein kompletter Neubau. Dies unterstrichen auch Maren Harnack und Ursula Baus in der anschließenden Diskussionsrunde. „Das, was erhaltenswert ist, muss auch erhalten werden“, so Harnack. Dies gelte nicht nur für denkmalgeschützte Gebäude, sondern für jede Bausubstanz der Nachkriegszeit. Rund 30 Prozent aller Gebäude seien damit betroffen, obwohl nur etwa drei Prozent unter Denkmalschutz stehen, wie der Landesdenkmalschützer Hahn bestätigte.
Eigentümer kümmern sich unterschiedlich gut
Ein weiteres Beispiel aus Mannheim ist das Collini-Center im lupenreinen Stil der 70er Jahre, ein Wohn- und ein Büroturm, die durch eine Galerie miteinander verbunden sind. Der inzwischen marode Büroturm soll abgerissen werden und mit ihm die kultige Galerie. Dagegen macht Thomas Holzner mobil: „Die beiden Gebäude und die Galerie gehören zusammen“, so der Vorsitzende des Vereins „Wir im Collini“.
Die Ausstellung wirbt für ein Umdenken in der Baubranche und nimmt den Collini Büroturm dafür als Beispiel. Diese Gebäude sind auch Zeugen ihrer Zeit, und das Material, das darin verbaut ist, ist wertvoll. Deshalb sei es sinnvoller, solche Bauten zu erhalten und einer neuen Nutzung zuzuführen. Das sei nachhaltiger und nicht so belastend für die Anwohner, so die Architekten.
Und Holzner fügt hinzu: „Eigentum verpflichtet.“ Er kritisiert, dass die Stadt nichts in die Sanierung des Büroturms investiert habe, während die Eigentümer des Wohnturms regelmäßig repariert hätten. Außerdem würden sie sich um die Anlage um das Gebäude kümmern und selbst für Hundekotbeutel sorgen. Die Einrüstung des ehemaligen Technischen Rathauses sei nicht gerade schön. Man hätte sich früher darum kümmern müssen, kritisierte auch Ursula Baus.
Büroturm des Collini-Centers nicht schützenswert
Laut Landesdenkmalamt sei der Collini-Büroturm zwar ein beeindruckendes Beispiel des Architekturstils „Brutalismus“ aus den 1970er Jahren. Das Gesamtensemble besitze laut Hahn zwar Landmarkencharakter und eine städtebauliche Fernwirkung, ihre Konzeption und Umsetzung sei aber im Vergleich mit anderen Gebäuden in Baden-Württemberg nicht ausreichend innovativ, um unter Denkmalschutz gestellt zu werden. Wann aber mit dem Abriss begonnen werde, stehe noch nicht fest, so der Landesdenkmalschützer.
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